Als ich mich beruflich vollständig und ausschließlich aufs Schreiben einließ, befand ich mich schon jenseits meines 30. Lebensjahres und war Familienvater. Und da ich weder als Bestsellerautor startete noch über nennenswerte Kapitalreserven verfügte, geriet vor allem das erste Jahr meiner neuen Selbstberufung zum finanziellen Hürdenlauf...
Ich konnte und kann mit dieser Art Druck ganz gut umgehen (eine Begabung, die für Autorinnen und Autoren noch überlebenswichtiger ist als ein begnadetes Schreibtalent). Aber alles hat seine Grenzen.
Ich war also zu dieser Zeit über jeden Schreiber-Job heilfroh. Auch über jenen, den mir ein Verleger anbot – für ein Honorar, dass meine Familie und mich immerhin einen Monat lang über Wasser halten würde. Es ging um die Überarbeitung einiger nicht ganz so gut gelungener Texte, die dringend für eine bereits terminierte Veröffentlichung benötigt wurden. Dieser Veröffentlichungstermin schien unbedingt eingehalten werden zu müssen, in dieser Hinsicht wirkte der Verleger einigermaßen panisch. Ich kannte ihn kaum. Aber insgesamt wirkte er seriös. Außerdem wusste ich, dass er gerade ein kleines Fotoarchiv aufgekauft hatte. Er schien gut im Geschäft zu sein, folgerte ich daraus. Ich unterschrieb einen Projektvertrag, erhielt eine Kopie davon und legte los.
Ich erledigte die Arbeit im vorgegebenen Zeitlimit, stellte meine Rechnung, doch die Honorarüberweisung blieb aus.
Ach ja, das liebe Geld, seufzte mein Verleger nur, als es mir nach etlichen Fehlversuchen endlich mal gelang, ihn telefonisch zu erreichen. Nun ja, fuhr er fort, so hoch sei die Summe ja nicht, eigentlich könnte ich morgen um 15 Uhr zu ihm kommen und das Honorar in bar abholen. Ich stand zur vereinbarten Zeit vor seiner Tür. Niemand öffnete auf mein Klingeln. Wir telefonierten erneut, es gab weitere Verabredungen zwecks Geldübergabe, sie scheiterten sämtlich. Ich ließ nicht locker – wie auch, das Geld war in meinem bescheidenen Haushalt fest eingeplant und quasi schon ausgegeben – und schaffte es irgendwann tatsächlich, den Verleger vor seiner Wohnung abzufangen und ihm einen Scheck in Höhe des vereinbarten Honorars abzuringen.
Ich eilte frohgemut zur Sparkasse und präsentierte der Mitarbeiterin meines Vertrauens die Beute. Die gute Frau kannte mich und vor allem meine finanzielle Lage schon länger. Sie ließ den Scheck auf dem Tresen liegen, ohne ihn zu berühren, seufzte gequält und atmete tief. Mehr kam erst mal nicht von ihr.
Mein Stimmungsbarometer sackte augenblicklich in den Skalenbereich Sturmwarnung.
„Was ist?“ wollte ich trotzdem wissen.
„Das darf ich Ihnen eigentlich nicht sagen“, wand sie sich. „Aber wenn ich diesen Scheck jetzt annehme, dann muss ich ihn auch buchen …“
„Prima. Deshalb bringe ich ihn ja her.“
„Nur, wenn ich diesen Scheck buche – dann platzt er. Und Sie bekommen Ihr Honorar nicht.“
„Bitte?“
„Ganz unter uns: Ich betreue auch die Konten dieses Herrn. Dieser Scheck ist nicht gedeckt. Stecken Sie den bloß wieder ein. Und sehen Sie zu, wie Sie auf andere Weise zu Ihrem Geld kommen.“
„Wie denn?“
Sie zuckte unglücklich mit den Achseln.
Ich steckte bedrückt das unnütze Papier ein und verließ das Geldinstitut, um daheim meinen Projektvertrag herauszusuchen und von einem Anwalt prüfen zu lassen. Zum Glück sah ich mir den Vertrag vorher noch einmal genau an: Auf meiner Kopie fehlte die Unterschrift des Verlegers.
Ich sah nur noch eine Möglichkeit, an mein Geld zu kommen.
Am Ende einer kurzen, wenngleich keineswegs schmerzlosen Konfrontation mit meinem betrügerischen Auftraggeber bilanzierte ich: eine eingetretene Tür, ein mit schlagenden Argumenten befeuertes Wortgefecht und die Barauszahlung meines Honorars in kleinen Scheinen, ergänzt mit Münzgeld aus einem notgeschlachteten Keramik-Sparschwein. Danach gingen wir auseinander und vermieden es künftig, dass sich unsere Wege kreuzten. Ich weiß also nicht, ob sich der Verleger wegen dieser unrühmlichen Episode schämt oder ob er sich überhaupt noch daran erinnert.
Ich zumindest bin alles andere als stolz darauf.
Egal, wie dringend man Geld benötigt: Verträge sollte man genau studieren, bevor man sie unterzeichnet. Und wenn letzteres geschieht, dann ist peinlichst darauf zu achten, dass der Vertragspartner ebenfalls seine Unterschrift leistet. Das sollte selbstverständlich sein, trotzdem ist mir dieser Fehler unterlaufen. Ihnen passiert das nicht – Sie haben nun von meiner gutgläubigen Dummheit gelesen und werden nicht die gleiche begehen. Abgemacht?
Um jedoch überhaupt einen Vertrag für etwas, das man geschrieben hat, angeboten zu bekommen, muss man erst einmal einen Vertragspartner finden. Einen Buchverlag für Ihren ersten Roman, zum Beispiel.
In Deutschland gibt es über zweitausend Verlage. Allein in Deutschland erscheinen Jahr für Jahr an die neunzigtausend neue Bücher. Darunter sind jede Menge Fach- und Sachbücher, doch auch wenn Sie Romane schreiben sollten, sind Sie nicht konkurrenzlos: Die Zahl der jährlichen Roman-Neuerscheinungen lag hierzulande zuletzt ziemlich stabil knapp über der Marke von vierzehntausend Titeln. Ein Literatur-Junkie, der sich absolut keinen neuen Roman entgehen lassen möchte, müsste also täglich 39 Bücher lesen, um stets am Ball zu bleiben. In Schaltjahren hätte er dann mal einen Tag frei, damit er sich beim Augenarzt eine neue Lesebrille verschreiben lassen kann.
Für die Leser ist die Auswahl an Büchern also riesengroß. Autoren können sich unter vielen Verlagen den zu ihnen passenden wählen. Verlage wiederum suchen sich programmkompatible Autoren aus der Masse zuverlässig nachwachsender Literaten heraus. Doch wie findet man zueinander?
Gute Frage. Große Frage.
Während vieler Jahre verbrachte ich die „Frankfurter Buchmesse“ am Stand eines befreundeten Verlegers. Manchmal schon deswegen, weil er gerade wieder ein neues Buch von mir herausgebracht hatte. Ansonsten aber, weil ich die Atmosphäre am Messestand liebe. Auf der Buchmesse genieße ich die Begegnungen mit den vielen Menschen, die sich professionell oder aus Leidenschaft (meistens beides) mit Literatur beschäftigen. Es sind oft wunderbare, erfreuliche Begegnungen. Leider trifft das nicht auf jede davon zu. Es gibt eine Situation, die jeder kennt, der für einen Verlag am Messestand steht. Eine Situation, die so gut wie immer allen Beteiligten peinlich ist und die eigentlich nie zu etwas führt. Nämlich folgende:
Vorsichtig pirscht sich JEMAND an den Messestand heran und nimmt Witterung auf. Mit dem Blick eines scheuen Rehs äugt JEMAND in alle Richtungen, taxiert die anderen Besucher, vor allem das Verlagspersonal am Stand. Um zunächst bloß nicht angesprochen zu werden, nimmt JEMAND nacheinander sämtliche am Stand ausgelegten Verlagstitel zur Hand und heuchelt inniges Interesse daran – selbst an dem abseitigen, völlig unverkäuflichen und lediglich aufgrund eines erheblichen Druckkostenzuschusses produziertem Buch über Quantenphysik, verfasst in unverständlichstem Fachchinesisch und nur deshalb hier präsent, weil leider versehentlich vom Verlagspraktikanten in die Messekiste gepackt.
JEMAND wartet geduldig den Moment ab, bis möglichst alle anderen Besucher weitergezogen sind und die nächsten noch am Nachbarstand herumlungern. Dann nimmt er einen längst von ihm angepeilten VERLAGSMITARBEITER aufs Korn.
JEMAND: „Arbeiten Sie hier?“
VERLAGSMITARBEITER: „Ja.“
JEMAND: „Schöne Bücher.“
VERLAGSMITARBEITER: „Danke.“
JEMAND: „Sind ein paar feine Romane dabei.“
VERLAGSMITARBEITER: Nickt nur ergeben, denn er weiß, was nun kommt.
JEMAND: „Wissen Sie, ich schreibe ja auch…“
VERLAGSMITARBEITER: Hat es längst geahnt und sagt nichts.
JEMAND: „Eigentlich bin ich hier auf der Messe, um einen Verlag zu finden, der mein Werk herausbringt.“
VERLAGSMITARBEITER denkt: Warum immer ich? – erkundigt sich trotzdem artig: „Um was geht es denn darin genau?“
JEMAND: „Das ist nicht so ganz einfach zu erklären. Aber ich hab’s dabei…“
Schon zieht JEMAND eifrig ein 600-Seiten-Skript aus Rucksack / Tasche / Plastiktüte. Wahnsinnsgeschichte, das sagen alle. Freunde / Verwandte / Nachbarn wären einhellig der Meinung, da könnte man glatt ein Buch draus machen. JEMAND redet und redet. Zunehmend Verzweiflung im Blick, die ganze Gestalt macht „Bittebitte“ – bis der VERLAGSMITARBEITER dem Anliegen mit wohltrainierter Standardformulierung die Absage erteilt. Hier sind drei der beliebtesten:
„So etwas entscheidet mein Chef, der ist aber nicht auf der Messe.“
„Ihr Roman ist sicher großartig. Leider wollen wir unser Verlagsprogramm demnächst auf Kochbücher umstellen.“
Und, je nach Verlagsgröße, entweder: „Wir sind nur ein kleiner Regionalverlag. Ihr Werk gehört unbedingt in einen großen Publikumsverlag. Die finden Sie sämtlich in der Halle XY.“
Oder: „Wir sind ein großer Publikumsverlag. Da geht Ihr Werk im Morast des Mainstreams verloren. Was Sie brauchen, ist ein kleiner, feiner Regionalverlag – finden Sie in der Halle YX.“
JEMAND zieht geschlagen von dannen, VERLAGSMITARBEITER atmet diskret auf.
Vielleicht ist jetzt leider der Literaturwelt ein Mensch abhandengekommen, der grandios gut schreiben kann. Und ein Verlag hat sich um die Chance gebracht, dessen bahnbrechendes Werk zu veröffentlichen, damit den Kassenschlager des Jahres zu liefern und endlich groß herauszukommen. Wahrscheinlich ist das nicht, aber man weiß es ja nie.
Bevor Sie also Ihren frisch vollendeten Roman an sämtlichen Ständen einer Buchmesse oder überhaupt jedem Verlag anbieten, dessen Adresse sich irgendwo recherchieren lässt, sollten Sie einige strategische Überlegungen anstellen.
Zuallererst diese: Für Autoren auf Verlagssuche gilt Ähnliches wie für Flirtwillige auf einer Dating-App. Wer sich wahllos überall anbietet, kriegt entweder gar keine(n) ab – oder eine(n), den man eigentlich nicht haben will. Man benötigt also bei der Verlagssuche (genau wie bei der Dating-App) vorab ein paar Anforderungs- und Ausschlusskriterien, um den Kandidatenkreis überschaubarer zu gestalten.
Beginnen wir bei Ihrem Produkt. Bevor Sie Ihren Roman anbieten, müssen Sie sich darüber im Klaren sein, was Sie da zu Markte tragen. Angesichts der vierzehntausend jährlichen Roman-Neuerscheinungen deutschlandweit (plus der sicher noch ungleich höheren Dunkelziffer jener Romane, die hoffnungsvoll geschrieben, aber niemals auf dem Buchmarkt erscheinen), werden potentielle Verleger immer die Frage stellen, um was es in Ihrem Werk eigentlich geht. Und zwar, bevor sie sich die Mühe machen, die vorgelegten 600 Seiten (oder wie viele es auch immer sein mögen) selbst zu lesen oder von Verlagsmitarbeitern lesen zu lassen.
Ihre Antwort sollte dann möglichst überzeugend ausfallen. „Ein Mann, eine Frau, viel Hin und Her in der Liebe, aber am Ende wird alles gut“, eine solche Beschreibung trifft auf etliche Geschichten zu, ohne das Besondere der Ihren herauszustellen. Brechen Sie den Kern Ihrer Erzählung, die Konflikte Ihrer Hauptfiguren auf wenige, aussagekräftige Sätze herunter. Schreiben Sie diese Sätze auf, denn Sie werden sie brauchen: In jedem Anschreiben auf der Verlagssuche. Auch später, wenn Sie mit Veranstaltern kommunizieren, um Autorenlesungen zu vereinbaren. Oder mit Journalisten, die darüber berichten sollen, aber leider Ihren Roman vorher nicht lesen werden und deshalb über dessen Inhalt allzu leicht Unsinn verbreiten, sofern Sie ihnen nicht mit einem griffigen Kurztext eine gut verständliche Steilvorlage liefern. Lernen Sie diesen Kurztext getrost auswendig, dann haben Sie diese hilfreichen Formulierungen notfalls auch im Gespräch parat.
Weiterer Vorteil dieses Kurztextes: Sie wissen allerspätestens jetzt auch selber, was eigentlich das Besondere an Ihrem Roman ist. Das hilft Ihnen, den Kreis Ihrer potentiellen Verlagspartner enger zu ziehen.
Recherchieren Sie, welche Verlage Bücher im Programm haben, die thematisch nah an Ihrem Werk liegen. Vielleicht gibt es Autorinnen oder Autoren, mit denen Sie sich stilistisch wahlverwandt fühlen – dann schauen Sie, in welchem Verlagshaus diese Leute veröffentlichen. Erweitern Sie beim Besuch möglichst vieler Buchhandlungen Ihren Horizont über das Angebot auf dem Literaturfeld, das Sie selbst beackern möchten (oder schon beackert haben, falls Ihr Roman bereits geschrieben ist). Passionierte Online-Shopper und E-Book-User mögen das für Altmodisch halten. Es gibt jedoch genug Leser, die nach wie vor Wert auf Gedrucktes und Gebundenes legen, was sich in die Hand nehmen lässt. Und der Wert guter Verlagsarbeit auf diesem Gebiet lässt sich nicht im Internet, sondern vor allem in der Buchhandlung erfahren: Sind die Verlagstitel hier überhaupt präsent? Wie sind sie handwerklich gestaltet? Von chronischen Cover-Missgriffen bis hin zur sofortauflösenden Buchrücken-Billigstbindung gibt es einiges, was schief laufen kann und was man als Autor gerne wüsste, bevor man sein literarisches Baby in fremde Hände gibt.
Wenn Sie die Verlage, in denen Ihr Werk ein Zuhause finden könnte, eingegrenzt haben, dann versuchen Sie mehr über die Verlagshäuser herauszubekommen. Oder über den Kleinverlag, dessen spezielles Programm perfekt zu ihrem Buch passen würde.
Vermutlich ist jeder froh, für sein Erstlingswerk überhaupt einen Verlagspartner zu finden. Die Frage „großer Verlag“ oder „kleiner Verlag“ ist in dem Fall eher zweitrangig. Sollte man jedoch Ambitionen hegen, mehr als nur ein Buch zu schreiben oder gar eine Karriere als Literatur-Vollprofi anzustreben, stellt sich diese Frage schon. Ich kenne beides aus eigener Erfahrung und fasse hier einige „Für und wider“-Argumente zusammen, die mir wesentlich erscheinen. Entscheiden müssten Sie letztendlich selber. Welche Lösung die Bessere ist, lässt sich nicht eindeutig festlegen.
„Großer Verlag“ – was dafür spricht:
1. Durch das Renommee des etablierten Verlagsnamens wird der Autor automatisch als Profi wahrgenommen – von Kritikern, vom Buchhandel, von den Lesern. Sogar, wenn das Buch gar nicht so super ist.
2. Der „große Verlag“ deckt einen großen Markt ab. Sein Programm ist überall präsent, auch im deutschsprachigen Ausland. Die Stückzahl Ihrer ersten Taschenbuchauflage ist wahrscheinlich fünfstellig. Er verfügt über eine komplette Organisation. Es gibt sogar eine Presseabteilung, die Ihr Buch ankündigt. Und die Sie betreut, falls man Sie zur Prime-Time in die angesagteste TV-Show des Jahres einlädt.
„Großer Verlag“ – was dagegen spricht:
1. Sie mögen sich als Profi fühlen. Aber sofern Sie noch keinen Top-Ten-Kracher in der Bestsellerliste platziert hatten, wird Ihr Werk auf Seite 78 des halbjährlich erscheinenden Verlagsnovitäten-Programms genannt – das war’s dann auch schon. Im zeitbegrenzten Verkaufsgespräch mit den Einkäufern großer Buchhandelsketten kommt der eifrige Verlagsvertreter eher selten so weit, einen „Hinterbänkler-Titel“ besonders zu empfehlen. Er hat ihn übrigens ohnehin nie gelesen. Nicht aus Ignoranz. Die Novitäten-Lektüre kann er zeitlich neben seinem Job gar nicht schaffen.
2. Ihr Buch wird landesweit in den allermeisten Buchhandlungen auf dem Tisch mit den Neuerscheinungen liegen. Höchstwahrscheinlich entdecken Sie dort sogar kleine Stapel Ihres Werkes. Sie platzen vor Stolz. Moment mal: Das soll gegen den „großen Verlag“ sprechen? Warten Sie einen Moment, genau genommen: Warten Sie einen Monat. Dann streben die nächsten neuen Titel dieses Verlages nach Weltruhm. Sofern es der Ihrige während dieser Zeitspanne noch nicht in die Bestsellerliste geschafft hat, werden von dem kleinen Bücherstapel vielleicht ein oder zwei Exemplare in der jeweiligen Buchhandlung verbleiben – der Rest wird an den Verlag zurückgeschickt, um in dessen Lager der Makulatur entgegen zu dämmern. Nach weiteren drei Monaten ohne Bestsellersensation treiben Sie Ihr Buch nicht mal mehr als Einzelstück im Regal auf. Sollte sich bei der nächsten Inventur doch noch eines anfinden, stellt es der Buchhändler in die Grabbelkiste, oder es endet als Altpapier. Immerhin wurden insgesamt vielleicht ein paar tausend Stück verkauft, doch das genügt nicht. Und Sie haben etliche Monate oder gar Jahre daran geschrieben – jedenfalls viel länger, als Ihr schönes Buch überhaupt im Handel lag. So ein Jammer. Ganz ehrlich.
3. Was ist mit der Presseabteilung? Ihr Buch ist erschienen, jetzt müssten doch in allen Blättern die zahlreich angeleierten Rezensionen erscheinen und die Initialzündung zum raketenhaften Aufstieg in die Bestseller-Medaillenränge liefern? Das Problem: Der „große Verlag“ haut Monat für Monat einen Haufen Neuerscheinungen raus. Die Presseabteilung pflegt zwar einen enormen Medien-Verteiler – aber im „Gießkannenprinzip“. Jede Verteileradresse erhält nicht bloß die Information über Ihr Buch, sondern selbstverständlich auch die über die anderen Novitäten des Monats. Und es gibt nicht bloß einen „großen Verlag“, der so arbeitet – fast alle machen es so. Ich habe früher selbst eine Zeit lang Buchneuerscheinungen für eine Zeitung rezensiert. Dieses renommierte Blatt erschien überregional und wöchentlich. In jeder Ausgabe räumte man mir Platz für eine kurze Rezension ein. Vier Bücher pro Monat. Um noch einmal die weiter oben im Text genannten Zahlen heranzuziehen: In Deutschland erscheinen etwa 7500 Buchtitel monatlich, weit mehr als tausend davon sind Romane. Falls Sie nun meinen, damit könnte man die Öffentlichkeit ein klein wenig überfordern, stehen Sie mit dieser Ansicht nicht alleine da. Leider ist es eine Tatsache. Ach ja – das mit der Prime-Time-TV-Show können Sie unter diesen Umständen natürlich sowieso vergessen.
„Kleiner Verlag“ – was dafür spricht:
1. Die persönliche Verbindung. Im Gegensatz zum Großverlag geht die Leitung des „kleinen Verlags“ mit der Entscheidung für Ihr Werk ein viel bedeutenderes Risiko ein. Schließlich geht der Verlag mit den Kosten für Lektorat, Druck, Ausstattung, Werbung und Vertrieb in Vorleistung. Da die Finanzdecke bei den meisten Betrieben dieser Art nicht übermäßig dick ist und es vielleicht nur ein paar Neuerscheinungen pro Jahr gibt, zieht ein gefloppter Titel unter Umständen weitreichende Konsequenzen nach sich. Es ist daher durchaus ein großes Kompliment für einen Autor, wenn sich ein „kleiner Verlag“ für ihn entscheidet. Im Idealfall bekommt das neu produzierte Literatur-Baby so zwei Elternteile. Und jeder, der in diesem Verlag arbeitet – vielleicht nur stundenweise als Minijob – kennt Ihr Buch. Sogar der Verlagsvertreter hat es gelesen. Falls es einen gibt, muss man einschränkend anmerken.
2. Ein „kleiner Verlag“ agiert zwar selten landesweit oder gar international, ist jedoch auf seiner Spielwiese – also in seiner Marktnische und in seiner Region – in der Regel gut vernetzt. Das gilt vor allem für den Buchhandel in seiner Stammregion. Die Erstauflage Ihres Buches liegt zwar vermutlich nur irgendwo zwischen 1000 und 2000 Stück. Es wird weder bei Erscheinen noch danach in jeder Buchhandlung liegen – aber die, die es führen, werden es allein schon aus Verbundenheit zu Ihrem Kleinverlag längerfristig im Laden vorrätig haben. Sind die 2000 Stück abverkauft – selbst wenn es ein, zwei Jahre oder vielleicht länger dauert – druckt der Verlag wahrscheinlich eine Nachauflage. So bleibt Ihr Werk selbst nach Jahren noch im Handel präsent.
3. Ein „kleiner Verlag“ ist meist eine Lokalgröße. Wenn in diesem Hause eine Neuerscheinung angekündigt wird, berichtet vermutlich nicht die Weltpresse – aber die lokalen Medien sind dabei. Und sei es nur, weil der Verleger sonst keine Anzeigen mehr im Käseblatt schaltet.
„Kleiner Verlag“ – was dagegen spricht:
1. Wegen des weitgehend unbekannten Verlagsnamens wird der Autor automatisch als Amateur wahrgenommen – von Kritikern, vom Buchhandel, von den Lesern. Sogar, wenn das Buch ziemlich super ist.
2. Wegen des begrenzten Aktionsradius des „kleinen Verlages“ und der geringen Auflagenhöhe wird Ihr Buch vermutlich nie zum gebührenden Weltruhm gelangen. Zwar gibt es alle Jahrzehnte wieder ein Literaturwunder der Kategorie „Büchlein eines bis dato unbekannten Autors aus Kleinverlag-Produktion fällt einem enorm prominenten Menschen in die Hände – dieser hält es in die Kamera und übermorgen haben es alle“. Es gibt ja auch Leute, die knacken den Jackpot im Lotto. Sie und ich sind allerdings vermutlich nie dabei.
3. Kleine Verlage sind personell übersichtlich ausgestattet. Manchmal bestehen sie lediglich aus einer einzigen Person, nämlich der des Verlegers oder der Verlegerin. Darin liegt ein Teil des Charmes dieser Kleinunternehmen. Allerdings nicht, wenn die Belegschaft in wesentlichen Bereichen länger ausfallen sollte und die Verlagsarbeit brach liegt (im Falle eines Ein-Personen-Unternehmens mal eben gleich zu 100 Prozent) – und das, obwohl man doch als Autor gerade raketenmäßig auf die Medaillenplätze der Bestsellerliste durchstarten wollte. Vielleicht verhebt sich Ihr Verleger auch finanziell an einem anderen Projekt (möglicherweise kauft er ein kleines Fotoarchiv auf) und kann Ihnen Ihr spärliches Honorar nicht zahlen. Kleiner Trost: Sie wissen ja seit dem Eingangsabschnitt dieses Kapitels, was in so einem Fall zu tun ist.
Angesichts dieser Tatsachen setzen manche Autoren lieber gleich auf die Veröffentlichung der eigenen Werke im Selbstverlag. Oder sie verzichten völlig auf Gedrucktes und publizieren ihre Geschichten unschlagbar kostengünstig ausschließlich im Internet – im E-Book-Format, als Selfpublisher. Wirklich erfolgsgekrönt sind beide Verfahren selten. Das konkurrierende Angebot ist in beiden Fällen unüberschaubar riesig. No-Name-Literaten ohne kampferprobte Verlagskomplizen fallen in dieser Masse überhaupt nicht auf – im Falle selbstpublizierter E-Books oft sogar nicht mal für geschenkt, buchstäblich. Spätestens, wenn man für die selbstpublizierte Geschichte einen Verkaufspreis aufruft, der einem halbwegs die Existenz sichern soll, wird die Luft ganz, ganz dünn.
Und Sie wollten sich doch vor allem mit Schreiben beschäftigen, nicht mit Marketingstrategien.
So prüfe, wer sich ewig bindet. Sogar, wenn es nur für die Halbwertzeit eines Buchprojekts ist. Man kann auch prüfen lassen, indem man sich einen Agenten sucht, der die Arbeit der Verlagssuche sowie lästige Vertragsverhandlungen und das fristgerechte Kassieren der Tantiemen abnimmt. Das kostet Autor/in in der Regel 15 Prozent seiner sämtlichen Buch- und/oder Filmeinnahmen, und zwar für alle Zeiten seines eigenen Urheberrechts. Es kann sich trotzdem lohnen.
Aber auch das muss jeder für sich entscheiden.
Diese Regel stammt aus dem Tatort-Schreibtisch-Buch:
Jan Schröters "Goldene Schreibregeln" - 22 Tipps für Autoren und alle, die es werden wollen

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