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Sie schreiben ein Buch oder ein Theaterstück? Sie arbeiten an einem Drehbuch oder an einer Kurzgeschichte? Glückwunsch! Schreiben ist eines der schönsten Dinge der Welt! Aber es ist auch eine der einsamsten und schwierigsten Beschäftigungen, wenn man alleine vor seinem Text sitzt, ohne Hilfe, ohne Unterstützung.Das will Tatort-Schreibtisch ändern!
Von den Profis lernen – das ist die Logline unserer Autoreninitiative. Erfahrene und erfolgreiche Schreib-Profis berichten auf dieser Webseite von ihrer Arbeit und verraten Ihnen Tipps und Tricks, mit denen Sie auf dem Buchmarkt oder dem Drehbuchgeschäft erfolgreich sind.
Das Herz unserer Initiative ist das Autorenpaten-Programm. Hier bieten Ihnen rund 40 renommierte und professionell schreibende Autorinnen und Autoren an, Sie und Ihr Schreibprojekt mit ihrem Wissen und ihrem Rat zu begleiten.
Auch mit kurzen Texten kann eine Autorenkarriere starten: In der Rubrik "Tatort -Schreibtisch: Ausgezeichnet!" präsentieren wir preisgekrönte oder preisnominierte Kurzgeschichten, die dem jeweiligen Autor / der jeweiligen Autorin große Beachtung verschafft hat - zum Nachlesen und zum Mut machen.
Ergänzt wird unsere Seite durch verschiedene Rubriken, darunter die "Frage der Woche", die "Schreibregel der Woche" sowie der "Tatort der Woche". Stöbern Sie die sich ständig ändernde Titelseite durch!
Ich darf Sie herzlich einladen, Tatort-Schreibtisch für sich zu entdecken. In der Rubrik Über Tatort-Schreibtisch erklären wir kurz, wie die Webseite funktioniert. Falls Ihnen etwas auffällt, wenn Sie einen Vorschlag, eine Frage, eine Idee haben: Bitte schreiben Sie uns! Ansonsten: Viel Spaß beim Lesen!
Ihr
Markus Stromiedel

Markus Stromiedel ist Autor und Drehbuchautor und Initiator von "Tatort-Schreibtisch"
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Es gibt folgende Autorenpaten-Programme:
Was Sie schon immer fragen wollten
Ihr Autorenpate oder Ihre Autorenpatin telefoniert mit Ihnen und gibt Ihnen Antworten auf Ihre Fragen zu Verlagen, zur Buchbranche, zur Kino- und Fernsehlandschaft oder der Theaterwelt.
Einschätzung Ihres Textes / Buches / Drehbuches
Ihr Autorenpate oder Ihre Autorenpatin liest und analysiert Ihr Manuskript und schreibt für Sie auf, was gelungen ist und wo Ihr Text noch Arbeit braucht. Da Ihr Autorenpate fachlich erfahren und nur Ihnen verpflichtet ist, werden Sie eine sowohl genaue als auch offene Einschätzung bekommen. Auf Wunsch können Sie danach mit Ihrem Autorenpaten über Ihr Manuskript sprechen und sich Rat einholen, wie Sie Ihren Text verbessern können.
Beratung bei Ihrer Verlags- oder Agenturbewerbung
Ihr Autorenpate oder Ihre Autorenpatin liest Ihr Exposé und sichtet Ihre Bewerbungsunterlagen und gibt Ihnen anschließend schriftlich eine genaue Rückmeldung, an welchen Punkten Sie noch arbeiten müssen, damit ihre Bewerbung bei einem Verlag oder einer Agentur Erfolgschancen hat. Auf Wunsch können Sie anschließend mit Ihrem Autorenpaten über Ihr Exposé und die Bewerbung sprechen und Antworten auf Ihre Fragen bekommen.
Individuelles Patenprogramm
Bei einigen der Autorenpaten haben Sie die Möglichkeit, ein individuelles Coaching zu buchen. Hier geht der Autorenpate tiefergehend auf Sie und Ihre Probleme beim Schreiben ein und versucht, Ihnen Wege und Tricks aufzuzeigen, sich und Ihren Stil noch weiter zu verbessern. Auf Wunsch begleitet Ihr Autorenpate Sie während Ihrer Bucharbeit.
FAQ - Häufig gestellte Fragen zum Autorenpaten-Programm
Das Programm und die Preise im Detail
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Tatort-Schreibtisch-Autor der Woche
Wir kennen uns jetzt seit vier Jahrzehnten. "Kennen“? Diesen sehr eigenwilligen, ungewöhnlichen Querdenker, der so ganz anders lebt als ich und so ganz anderes schreibt als andere?
Jedenfalls haben wir uns vor 40 Jahren kennengelernt, sind uns vertraut geworden, begegnen uns immer wieder auf Formentera, der magischen Insel, die uns beiden so gut tut. Nach abenteuerlichem Herumreisen ist er hier sesshaft geworden, und er führt in einer urtümlichen Finca bewusst ein sehr einfaches Leben – den unpolierten Schreibtisch nur acht Gehminuten vom Mittelmeer entfernt.
Nur ein-, zweimal im Jahr zieht es ihn in seine alte Heimat nach Duisburg. Hier wie dort kennt er sich genauestens aus, bleibt somit in dem, was er schreibt, immer authentisch – im Sinne von "bei sich selbst sein", ungekünstelt, echt, offen und entspannt.
Seine auf Formantera wie in Duisburg spielenden Krimis sind – wie ihr Autor – gegen den Strich gebürstet, witzig und erfrischend. Sein wiederholt aktualisierter Reiseführer vermittelt auf ganz ungewöhnliche Art Zugang zu den Geheimnissen der Insel.
Dass Niklaus Schmid für seine Kurzgeschichte „Müntefering singt“ eine ganz besondere Auszeichnung erhalten hat, ist für mich nachvollziehbar. Der oft trocken wirkende SPD-Politiker mit seinem rollenden sauerländischen „Rrr“ als zwitschernder Vogel – schon der Titel genauso skurril wie die Story mit ihrer zündenden Idee und der verblüffenden Pointe.
Ich habe übrigens jahrelang mit dem Politiker Franz Müntefering zu tun gehabt und freue mich darüber, dass er meinem Freund Nik so herzlich und zu recht zu dessen Preis gratuliert hat.
Knut Terjung war viele Jahre lang ZDF-Journalist und lebt so wie Niklaus Schmid auf Formentera
Niklaus Schmid ist Tatort-Schreibtisch-Autor und hat für die Rubrik "Tatort-Schreibtisch - Ausgezeichnet!" den preisgekrönten Kurzkrimi "Müntefering singt" beigesteuert.
Mehr Informationen zu "Müntefering singt"
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Niklaus Schmid: Zwischen Ruhrpott und Sonneninsel
Ein Autorenporträt von Knut TerjungWir kennen uns jetzt seit vier Jahrzehnten. "Kennen“? Diesen sehr eigenwilligen, ungewöhnlichen Querdenker, der so ganz anders lebt als ich und so ganz anderes schreibt als andere?
Jedenfalls haben wir uns vor 40 Jahren kennengelernt, sind uns vertraut geworden, begegnen uns immer wieder auf Formentera, der magischen Insel, die uns beiden so gut tut. Nach abenteuerlichem Herumreisen ist er hier sesshaft geworden, und er führt in einer urtümlichen Finca bewusst ein sehr einfaches Leben – den unpolierten Schreibtisch nur acht Gehminuten vom Mittelmeer entfernt.
Nur ein-, zweimal im Jahr zieht es ihn in seine alte Heimat nach Duisburg. Hier wie dort kennt er sich genauestens aus, bleibt somit in dem, was er schreibt, immer authentisch – im Sinne von "bei sich selbst sein", ungekünstelt, echt, offen und entspannt.
Seine auf Formantera wie in Duisburg spielenden Krimis sind – wie ihr Autor – gegen den Strich gebürstet, witzig und erfrischend. Sein wiederholt aktualisierter Reiseführer vermittelt auf ganz ungewöhnliche Art Zugang zu den Geheimnissen der Insel.
Dass Niklaus Schmid für seine Kurzgeschichte „Müntefering singt“ eine ganz besondere Auszeichnung erhalten hat, ist für mich nachvollziehbar. Der oft trocken wirkende SPD-Politiker mit seinem rollenden sauerländischen „Rrr“ als zwitschernder Vogel – schon der Titel genauso skurril wie die Story mit ihrer zündenden Idee und der verblüffenden Pointe.
Ich habe übrigens jahrelang mit dem Politiker Franz Müntefering zu tun gehabt und freue mich darüber, dass er meinem Freund Nik so herzlich und zu recht zu dessen Preis gratuliert hat.
Knut Terjung war viele Jahre lang ZDF-Journalist und lebt so wie Niklaus Schmid auf Formentera
Niklaus Schmid ist Tatort-Schreibtisch-Autor und hat für die Rubrik "Tatort-Schreibtisch - Ausgezeichnet!" den preisgekrönten Kurzkrimi "Müntefering singt" beigesteuert.
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Tatort-Schreibtisch-Buch der Woche
Jan Schröter: "Wie mich mein Deutschlehrer fast umbrachte..."
Tom Schröder will Autor werden! Ein berühmter Autor, das klappt garantiert, ist Tom sich sicher. Dass der Weg zum Erfolg ihn auf jede Menge Abwege führt, macht die Sache kompliziert...
Egal, ob als Blumenverkäufer auf dem Hamburger Isemarkt oder in den
Dünen mit Doro, zwischen Textilschmugglerinnen in Südamerika oder auf
Drehbuch-Recherche in Australien, Toms schräger Charme schlägt noch in
verlorensten Lebenslagen durch - bis ihn Romane und Drehbücher fast das
Leben kosten ...
Ein augenzwinkernder autobiographischer Roman, der einen tiefen Einblick in das Leben eines Autors bietet.
»Jan Schröter ist ein Spezialist für existentielle Fragen in lockerem Unterhaltungston, und er beantwortet sie mit einem sehr feinen, leisen Humor.« - BRIGITTE
Jan Schröters autobiographischer Schelmenroman - garantiert wahr!
ISBN 9783946312147
Paperback, 320 Seiten
Print-Ausgabe: 16 € (A: 16,50 €)
E-Book: 12,99 €
Hörbuch: 9,99 €
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Jan Schröter kennt die Höhen und die Tiefen des Autorendaseins schmerzlich genau. Er arbeitete als Journalist und Kolumnist, schrieb Reiseführer und Kurzgeschichten, massierte die Herzen der Zuschauer mit seinen Drehbüchern für den ZDF-Kultdampfer „Das Traumschiff“ und war jahrelang Stammautor der ARD-Serie „Großstadtrevier“. Bekannt geworden ist er durch seine absurd-komischen Krimis und Romane, in denen er augenzwinkernd und nicht ohne Mitgefühl seine Figuren ins Chaos stürzt.
Autorenportrait von Jan Schröter
LESERPROBE
Schreiben kann das Leben kosten.
Manchmal genügt schon eine Literaturverfilmung, um sich buchstäblich um Kopf und Kragen zu bringen, ganz zu schweigen vom Rest des Leibes. Ausgesprochen ärgerlich, wenn man erst 18 Jahre alt ist und demnach nicht nach langem, erfülltem Dasein stirbt. Nicht mal ansatzweise auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Eher im Gegenteil.
Im Spätsommer 1977 begann das sinnloseste Schuljahr meines Lebens. Beinahe wäre es mein letztes Jahr überhaupt gewesen. Fast hätte mich mein Deutschlehrer umgebracht.
Aber der Reihe nach.
Ich war 18, trug seit dem letzten Sommerurlaub in Frankreich Vollbart und Baskenmütze und schleppte meist eine knallgelbe Reiseschreibmaschine mit mir herum, deren Buchstabentypen sich dramatisch oft zu bizarren Bündeln verklemmten, wenn ich im dilettantischen Zwei-Finger-System darauf herumhackte. Die Maschine war ein Weihnachtsgeschenk meiner Eltern, ausgewählt vermutlich in der sonnigen Hoffnung, sie würde mich bei den Schularbeiten beflügeln. Stattdessen benutzte ich sie ausschließlich, um damit im Fokus der Öffentlichkeit – Café, Einkaufszentrum, Pausenhalle, Oberstufenraum – herumzusitzen und allein schon durch meinen bloßen Anblick Aufmerksamkeit zu erregen. Ich sah aus wie ein Abziehbild von Hemingway.
Meist schrieb ich vermeintlich tiefsinnige Aphorismen oder anderes krudes Zeug. Es musste einfach genial sein, weil die Inszenierung stimmte. Kleine Jungs kaufen sich ein Trikot ihres Fußballidols und fühlen sich darin wie ein Weltmeister. Mit Baskenmütze, Vollbart und Reiseschreibmaschine ging es mir sogar als Achtzehnjähriger noch vergleichbar. Ich fühlte mich dem Literaturnobelpreis ganz nah. Hatte ich nicht alles, was ein zukünftiger Starautor benötigte? Mein erster Roman würde einschlagen wie eine Bombe.
Allerdings gab es ein Problem. Mir fiel partout keine Romangeschichte ein – trotz Vollbart, Baskenmütze und Schreibmaschine. Das fand ich ziemlich gemein, leider gab es niemanden, der diesbezüglich Beschwerden annahm. Ich hätte es ohnehin nie zugegeben, dass mir nichts einfiel. Immerhin schrieb ich gutbenotete Schulaufsätze in Serie, da konnte so ein popeliger Bestsellerroman doch keine Hürde sein, also wirklich! Ich gab unverdrossen weiterhin Hemingways Abziehbild, bis mich irgendwann Bert Wagner, mein Deutschlehrer, ansprach: Es gäbe ein paar Leute, die eine Schülerzeitung gründen wollten – ob ich vielleicht …?
Bert Wagner, mein Deutschlehrer, würde mich wenig später um ein Haar umbringen, aber das ahnten wir in diesem Moment nicht.
Also Schülerzeitung, warum nicht. Das schien mir ein Anfang zu sein. Nicht annähernd so schwierig wie sich selbst einzureden, die Realisierung des großen Romans scheitere bloß an den andauernd verklemmten Buchstabentypen meiner gelben Reiseschreibmaschine. Vielleicht, dachte ich, gäbe mir die Schule so etwas von diesem verlorenen Jahr zurück, das ich gerade erlitt.
Bis in die gymnasiale Oberstufe hatte ich mich durchgewurstelt. Deutsch, Geschichte, Politik, da setzte ich meine Glanzlichter. Es war der Ausgleich für die ungeliebten Naturwissenschaften, zwei Fünfen im Zeugnis, in Mathe und Physik, ließen sich auf diese Weise straflos kompensieren. Mehr als einmal kreiste das Abstiegsgespenst über mir, aber ich kriegte es jedes Mal hin, auch nach prekärsten Halbjahreszeugnissen (»Eine Versetzung scheint zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschlossen«) im energischen Schlussspurt zwischen Ostern und Sommerferien noch das Klassenziel zu erreichen (»Tom wird versetzt nach Klasse …«). Dann, nach dem ersten Jahr Oberstufe, erwischte es mich zusätzlich im Fach Chemie. Drei Fünfen ließen sich nicht ausgleichen, das war Gesetz.
Für mich hieß es: Ehrenrunde, zurück auf Los. Legionen frustrierter Mathematiklehrer müssen sich die Hände gerieben haben.
Und während meine sämtlichen Freunde, meine langjährige On/Off-Beziehung Martina und praktisch jeder mir vertraute Schulgefährte nach der Abiturprüfung ins Leben hinaus flatterte und hinter dem Horizont verschwand, trat ich nach den Sommerferien 1977 mein letztes Schuljahr am Gymnasium Müssenredder in Hamburg-Poppenbüttel an. Das sinnloseste Schuljahr meines Lebens, wie gesagt. In Chemie hatte ich mich wieder auf eine Vier gewürgt, ansonsten blieb alles beim Alten: Mathe Fünf, Physik Fünf. Deutsch, Geschichte, Politik die reine Wonne. In letzteren Fächern war ich schon vorher gut, für Mathe und Physik blieb ich verloren. Wozu also das Jahr nachsitzen? Obwohl mir noch jeder Zukunftsplan fehlte: Ich würde niemals im späteren Leben einen naturwissenschaftlichen Beruf ergreifen, das wusste ich seit der Grundschule.
Meine Lehrer wussten das auch.
»Tom Schröder«, pflegte einer meiner Mathelehrer zu mahnen, »du bist offensichtlich nicht für die Mathematik geschaffen, doch sogar du wirst nicht ohne sie leben können!« Für mich besaß Mathematik zu viele undurchschaubare Regeln. Ich war mehr für kreative Lösungen. Mathe, das war kalter Kaffee. Etwas für pickelige Technokraten, die sich die Hose mit der Kneifzange anzogen. Schreiben, das war das Ding. Geschichten erfinden, in denen sich Leser verlieren, wiederentdecken, in Abgründe blicken und Gipfel erklimmen.
Also Schülerzeitung.
Die zukünftige Redaktion traf sich erstmals an einem Dienstag nach dem Schulunterricht. Bert Wagner hatte die Räumlichkeit vermittelt, einen vollgerümpelten Nebenraum der Biologie-Sammlung. Als ich eintrat, entdeckte ich zunächst nur einen ausgestopften Riesen-Uhu. Er kauerte auf einem armdicken Ast, der wiederum aus einem hölzernen Podest ragte. Podest, Ast und Uhu standen auf einem langen Tisch und sahen irgendwie verloren aus.
»Hallo. Super, dass du mit dabei bist.«
Das Gesicht eines dunkelhaarigen, schmalbrüstigen Jungen tauchte plötzlich hinter dem Vogelpräparat auf und lächelte mir entgegen. Sein Lächeln erinnerte an den Uhu – es wirkte irgendwie verloren. Immerhin war er offensichtlich nicht ausgestopft.
»Ja. Mal sehen«, entgegnete ich lauwarm.
Er kam um den Tisch herum auf mich zu. Wache, braune Augen hinter einer randlosen John-Lennon-Brille. Ein milchgesichtiger Groucho Marx ohne Schnurrbart.
»Ich bin Wolfgang.« Er streckte mir seine Hand entgegen.
Ich wusste, wer er war. Wolfgang Mohn, seit kurzem Schulsprecher – ein Amt, für das sich an dieser Schule selten jemand aufdrängte und von dessen Vertretern man normalerweise noch seltener irgendwelche Anzeichen von Aktivität registrierte. Mohn hatte es geschafft, innerhalb der kurzen Spanne seines Wirkens die Schülerschaft mit einer derartigen Fülle von Anträgen und Abstimmungen zu bombardieren, dass alle nur noch genervt von ihm waren. Er rechtfertigte
diesen Aktionismus mit einer flammenden Grundsatzkundgebung, ausgehängt als Wandzeitung in der Pausenhalle, in der er sich prinzipiell dem Plebiszit sowie dem imperativen Mandat verpflichtet erklärte. Und dergleichen Zeug. Kaum jemand verstand, was er meinte, 1977 ließen sich solche Ausdrücke nicht mal so eben googeln. Das Wahlvolk hätte ihn gern zum Teufel gejagt, aber dann hätte man ein neues Opfer für den Schulsprecherposten suchen müssen. Also ertrug man Wolfgang Mohn und ließ ihn machen.
»Ich weiß. Der Schulsprecher.«
Ich ließ mich auf den angebotenen Händedruck ein. Wolfgang Mohn drückte forsch zu und konversierte munter weiter, ganz jovialer Politprofi.
»Und du bist Tom, richtig? Der Typ mit der gelben Schreibmaschine …«
»Ist mein Zwillingsbruder«, behauptete ich todernst. »Ich bin der mit der roten Schreibmaschine.«
»Echt?« Die braunen Augen blinzelten irritiert.
»Lass dich nicht vom Schröder verarschen. Den Kerl gibt’s nur einmal. Zum Glück.«
Hinter uns schob sich ein Mädchen zur Tür herein. Schmal, feingliedrig, mit glatter, dunkler Mähne, die ihr tief ins Gesicht hing und ihrem Ausdruck etwas Verhuschtes verlieh. Man hätte sie auf den ersten Blick glatt noch für eine Zwölfjährige halten können. Aber das wusste ich besser.
»In der Tat, Doro. Mit zweien von meiner Sorte wärst du niemals fertig geworden.«
Sie kicherte. Es klang wie Katzenschnurren. Nach der Mahlzeit.
»Ich bin also mit dir fertig geworden?«
»Bewahre!« Ich rang dramatisch die Hände. »Dann wären wir ja fertig miteinander. Das wäre doch schade …«
»Findest du?«
Ihr perfekt getimter Augenaufschlag vernichtete endgültig jede Illusion, eine Zwölfjährige vor sich zu haben. Die Metamorphose von kindlicher Albernheit zu erwachsenem Ernst, die Doro Gehrke jederzeit ansatzlos vollziehen konnte, verunsicherte mich zutiefst. Und auf Verunsicherung reagierte ich, dessen Persönlichkeitsbildung noch nicht über das Hemingway-Abziehbild herausgewachsen war, wie ein Vampir auf den ersten Strahl der Morgensonne: Ich zerfiel zu Staub. Glücklicherweise bemerkte das niemand, denn nach Doro drängte sich jetzt der vierte Nachwuchsredakteur ins Zimmer. Mille besaß mehr Haare als Chewbacca und sprach auch ungefähr genauso viel wie das »Star Wars«-Zottelmonster: eher selten. Aber hier sollte Mille ja auch schreiben, nicht reden. Das Reden besorgte ohnehin Wolfgang Mohn.
Wolfgangs minimaler Anspruch für unsere geplante Schülerzeitung war die politische Kampflinie von Georg Büchners »Hessischen Landboten« (»Friede den Hütten! Krieg den Palästen!«), gepaart mit dem kommerziellen Erfolg von Disneys »Lustigen Taschenbüchern«. Die Schülerzeitung wäre Mohns persönliches Zentralorgan, das war uns anderen nach spätestens drei Minuten klar. Sollte er doch, dachte ich. Mir fehlte jede Lust, über die abgehakten Tagungspunkte der letzten Schulsprecherversammlung auf Kreisebene oder die Satzungsänderung in der Elternratsverordnung zu berichten.
»Was möchtest du denn schreiben, Tom?« fragte mich Wolfgang schließlich direkt.
Nichts, wofür ich vorher in langweiligen Versammlungen herumsitzen muss, schoss es mir sofort durch den Sinn.
»Satire. Ein paar Witze reißen. So was in der Art.«
»Bloß nicht schwitzen bei der Arbeit, was?«
Das kam von Doro. Sie grinste süffisant dabei. Durchschaut.
Ich bemühte mich um einen Konter. »Schwitzen kann jeder, das muss ich nicht auch noch. Was willst du denn machen?«
»Kunst. Zeichnungen. Geschichten. Was so anfällt.«
Sie zog die schmalen Schultern hoch, wobei ihr T-Shirt der Bewegung folgte und zwischen dem unteren Rand und ihrer Jeans einen knusprig braunen Bauchstreifen entblößte. Ihr flacher Nabel schien mir verrucht zuzuzwinkern. Die Sommerferien waren erst ein paar Wochen her. Plötzlich schlug vor meinem geistigen Auge der Atlantik Gischt und Wellen, und eine splitternackte Doro lief über weißen Sand. Erst, als ihre Schultern wieder absackten, vor der Peepshow der Vorhang fiel, die Kulisse jäh von Strandpanorama auf ausgestopften Uhu umschnitt und meine Atmung wieder einsetzte, registrierte ich Wolfgang Mohns forschenden Blick. Es war genau die Sorte Blick, die ein Wissenschaftler durchs Mikroskop wirft. Und mal ganz klar, wer hier die Amöbe auf dem Objektträger war...
Ergänzend zu dem Roman »Wie mich mein Deutschlehrer fast umbrachte …« hat Jan Schröter ein zweites Buch geschrieben: »Jan Schröters Goldene Schreibregeln«. In diesem Werk lässt er die Leser hinter die Kulissen des professionellen Schreibens und das Leben als Autor blicken, natürlich mit einer satten Portion Humor und höchst unterhaltsam.
© Autorenfoto: Hocky Neubert
Ein augenzwinkernder autobiographischer Roman, der einen tiefen Einblick in das Leben eines Autors bietet.
»Jan Schröter ist ein Spezialist für existentielle Fragen in lockerem Unterhaltungston, und er beantwortet sie mit einem sehr feinen, leisen Humor.« - BRIGITTE
Jan Schröters autobiographischer Schelmenroman - garantiert wahr!
ISBN 9783946312147
Paperback, 320 Seiten
Print-Ausgabe: 16 € (A: 16,50 €)
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Jan Schröter kennt die Höhen und die Tiefen des Autorendaseins schmerzlich genau. Er arbeitete als Journalist und Kolumnist, schrieb Reiseführer und Kurzgeschichten, massierte die Herzen der Zuschauer mit seinen Drehbüchern für den ZDF-Kultdampfer „Das Traumschiff“ und war jahrelang Stammautor der ARD-Serie „Großstadtrevier“. Bekannt geworden ist er durch seine absurd-komischen Krimis und Romane, in denen er augenzwinkernd und nicht ohne Mitgefühl seine Figuren ins Chaos stürzt.
Autorenportrait von Jan Schröter
LESERPROBE
Schreiben kann das Leben kosten.
Manchmal genügt schon eine Literaturverfilmung, um sich buchstäblich um Kopf und Kragen zu bringen, ganz zu schweigen vom Rest des Leibes. Ausgesprochen ärgerlich, wenn man erst 18 Jahre alt ist und demnach nicht nach langem, erfülltem Dasein stirbt. Nicht mal ansatzweise auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Eher im Gegenteil.
Im Spätsommer 1977 begann das sinnloseste Schuljahr meines Lebens. Beinahe wäre es mein letztes Jahr überhaupt gewesen. Fast hätte mich mein Deutschlehrer umgebracht.
Aber der Reihe nach.
Ich war 18, trug seit dem letzten Sommerurlaub in Frankreich Vollbart und Baskenmütze und schleppte meist eine knallgelbe Reiseschreibmaschine mit mir herum, deren Buchstabentypen sich dramatisch oft zu bizarren Bündeln verklemmten, wenn ich im dilettantischen Zwei-Finger-System darauf herumhackte. Die Maschine war ein Weihnachtsgeschenk meiner Eltern, ausgewählt vermutlich in der sonnigen Hoffnung, sie würde mich bei den Schularbeiten beflügeln. Stattdessen benutzte ich sie ausschließlich, um damit im Fokus der Öffentlichkeit – Café, Einkaufszentrum, Pausenhalle, Oberstufenraum – herumzusitzen und allein schon durch meinen bloßen Anblick Aufmerksamkeit zu erregen. Ich sah aus wie ein Abziehbild von Hemingway.
Meist schrieb ich vermeintlich tiefsinnige Aphorismen oder anderes krudes Zeug. Es musste einfach genial sein, weil die Inszenierung stimmte. Kleine Jungs kaufen sich ein Trikot ihres Fußballidols und fühlen sich darin wie ein Weltmeister. Mit Baskenmütze, Vollbart und Reiseschreibmaschine ging es mir sogar als Achtzehnjähriger noch vergleichbar. Ich fühlte mich dem Literaturnobelpreis ganz nah. Hatte ich nicht alles, was ein zukünftiger Starautor benötigte? Mein erster Roman würde einschlagen wie eine Bombe.
Allerdings gab es ein Problem. Mir fiel partout keine Romangeschichte ein – trotz Vollbart, Baskenmütze und Schreibmaschine. Das fand ich ziemlich gemein, leider gab es niemanden, der diesbezüglich Beschwerden annahm. Ich hätte es ohnehin nie zugegeben, dass mir nichts einfiel. Immerhin schrieb ich gutbenotete Schulaufsätze in Serie, da konnte so ein popeliger Bestsellerroman doch keine Hürde sein, also wirklich! Ich gab unverdrossen weiterhin Hemingways Abziehbild, bis mich irgendwann Bert Wagner, mein Deutschlehrer, ansprach: Es gäbe ein paar Leute, die eine Schülerzeitung gründen wollten – ob ich vielleicht …?
Bert Wagner, mein Deutschlehrer, würde mich wenig später um ein Haar umbringen, aber das ahnten wir in diesem Moment nicht.
Also Schülerzeitung, warum nicht. Das schien mir ein Anfang zu sein. Nicht annähernd so schwierig wie sich selbst einzureden, die Realisierung des großen Romans scheitere bloß an den andauernd verklemmten Buchstabentypen meiner gelben Reiseschreibmaschine. Vielleicht, dachte ich, gäbe mir die Schule so etwas von diesem verlorenen Jahr zurück, das ich gerade erlitt.
Bis in die gymnasiale Oberstufe hatte ich mich durchgewurstelt. Deutsch, Geschichte, Politik, da setzte ich meine Glanzlichter. Es war der Ausgleich für die ungeliebten Naturwissenschaften, zwei Fünfen im Zeugnis, in Mathe und Physik, ließen sich auf diese Weise straflos kompensieren. Mehr als einmal kreiste das Abstiegsgespenst über mir, aber ich kriegte es jedes Mal hin, auch nach prekärsten Halbjahreszeugnissen (»Eine Versetzung scheint zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschlossen«) im energischen Schlussspurt zwischen Ostern und Sommerferien noch das Klassenziel zu erreichen (»Tom wird versetzt nach Klasse …«). Dann, nach dem ersten Jahr Oberstufe, erwischte es mich zusätzlich im Fach Chemie. Drei Fünfen ließen sich nicht ausgleichen, das war Gesetz.
Für mich hieß es: Ehrenrunde, zurück auf Los. Legionen frustrierter Mathematiklehrer müssen sich die Hände gerieben haben.
Und während meine sämtlichen Freunde, meine langjährige On/Off-Beziehung Martina und praktisch jeder mir vertraute Schulgefährte nach der Abiturprüfung ins Leben hinaus flatterte und hinter dem Horizont verschwand, trat ich nach den Sommerferien 1977 mein letztes Schuljahr am Gymnasium Müssenredder in Hamburg-Poppenbüttel an. Das sinnloseste Schuljahr meines Lebens, wie gesagt. In Chemie hatte ich mich wieder auf eine Vier gewürgt, ansonsten blieb alles beim Alten: Mathe Fünf, Physik Fünf. Deutsch, Geschichte, Politik die reine Wonne. In letzteren Fächern war ich schon vorher gut, für Mathe und Physik blieb ich verloren. Wozu also das Jahr nachsitzen? Obwohl mir noch jeder Zukunftsplan fehlte: Ich würde niemals im späteren Leben einen naturwissenschaftlichen Beruf ergreifen, das wusste ich seit der Grundschule.
Meine Lehrer wussten das auch.
»Tom Schröder«, pflegte einer meiner Mathelehrer zu mahnen, »du bist offensichtlich nicht für die Mathematik geschaffen, doch sogar du wirst nicht ohne sie leben können!« Für mich besaß Mathematik zu viele undurchschaubare Regeln. Ich war mehr für kreative Lösungen. Mathe, das war kalter Kaffee. Etwas für pickelige Technokraten, die sich die Hose mit der Kneifzange anzogen. Schreiben, das war das Ding. Geschichten erfinden, in denen sich Leser verlieren, wiederentdecken, in Abgründe blicken und Gipfel erklimmen.
Also Schülerzeitung.
Die zukünftige Redaktion traf sich erstmals an einem Dienstag nach dem Schulunterricht. Bert Wagner hatte die Räumlichkeit vermittelt, einen vollgerümpelten Nebenraum der Biologie-Sammlung. Als ich eintrat, entdeckte ich zunächst nur einen ausgestopften Riesen-Uhu. Er kauerte auf einem armdicken Ast, der wiederum aus einem hölzernen Podest ragte. Podest, Ast und Uhu standen auf einem langen Tisch und sahen irgendwie verloren aus.
»Hallo. Super, dass du mit dabei bist.«
Das Gesicht eines dunkelhaarigen, schmalbrüstigen Jungen tauchte plötzlich hinter dem Vogelpräparat auf und lächelte mir entgegen. Sein Lächeln erinnerte an den Uhu – es wirkte irgendwie verloren. Immerhin war er offensichtlich nicht ausgestopft.
»Ja. Mal sehen«, entgegnete ich lauwarm.
Er kam um den Tisch herum auf mich zu. Wache, braune Augen hinter einer randlosen John-Lennon-Brille. Ein milchgesichtiger Groucho Marx ohne Schnurrbart.
»Ich bin Wolfgang.« Er streckte mir seine Hand entgegen.
Ich wusste, wer er war. Wolfgang Mohn, seit kurzem Schulsprecher – ein Amt, für das sich an dieser Schule selten jemand aufdrängte und von dessen Vertretern man normalerweise noch seltener irgendwelche Anzeichen von Aktivität registrierte. Mohn hatte es geschafft, innerhalb der kurzen Spanne seines Wirkens die Schülerschaft mit einer derartigen Fülle von Anträgen und Abstimmungen zu bombardieren, dass alle nur noch genervt von ihm waren. Er rechtfertigte
diesen Aktionismus mit einer flammenden Grundsatzkundgebung, ausgehängt als Wandzeitung in der Pausenhalle, in der er sich prinzipiell dem Plebiszit sowie dem imperativen Mandat verpflichtet erklärte. Und dergleichen Zeug. Kaum jemand verstand, was er meinte, 1977 ließen sich solche Ausdrücke nicht mal so eben googeln. Das Wahlvolk hätte ihn gern zum Teufel gejagt, aber dann hätte man ein neues Opfer für den Schulsprecherposten suchen müssen. Also ertrug man Wolfgang Mohn und ließ ihn machen.
»Ich weiß. Der Schulsprecher.«
Ich ließ mich auf den angebotenen Händedruck ein. Wolfgang Mohn drückte forsch zu und konversierte munter weiter, ganz jovialer Politprofi.
»Und du bist Tom, richtig? Der Typ mit der gelben Schreibmaschine …«
»Ist mein Zwillingsbruder«, behauptete ich todernst. »Ich bin der mit der roten Schreibmaschine.«
»Echt?« Die braunen Augen blinzelten irritiert.
»Lass dich nicht vom Schröder verarschen. Den Kerl gibt’s nur einmal. Zum Glück.«
Hinter uns schob sich ein Mädchen zur Tür herein. Schmal, feingliedrig, mit glatter, dunkler Mähne, die ihr tief ins Gesicht hing und ihrem Ausdruck etwas Verhuschtes verlieh. Man hätte sie auf den ersten Blick glatt noch für eine Zwölfjährige halten können. Aber das wusste ich besser.
»In der Tat, Doro. Mit zweien von meiner Sorte wärst du niemals fertig geworden.«
Sie kicherte. Es klang wie Katzenschnurren. Nach der Mahlzeit.
»Ich bin also mit dir fertig geworden?«
»Bewahre!« Ich rang dramatisch die Hände. »Dann wären wir ja fertig miteinander. Das wäre doch schade …«
»Findest du?«
Ihr perfekt getimter Augenaufschlag vernichtete endgültig jede Illusion, eine Zwölfjährige vor sich zu haben. Die Metamorphose von kindlicher Albernheit zu erwachsenem Ernst, die Doro Gehrke jederzeit ansatzlos vollziehen konnte, verunsicherte mich zutiefst. Und auf Verunsicherung reagierte ich, dessen Persönlichkeitsbildung noch nicht über das Hemingway-Abziehbild herausgewachsen war, wie ein Vampir auf den ersten Strahl der Morgensonne: Ich zerfiel zu Staub. Glücklicherweise bemerkte das niemand, denn nach Doro drängte sich jetzt der vierte Nachwuchsredakteur ins Zimmer. Mille besaß mehr Haare als Chewbacca und sprach auch ungefähr genauso viel wie das »Star Wars«-Zottelmonster: eher selten. Aber hier sollte Mille ja auch schreiben, nicht reden. Das Reden besorgte ohnehin Wolfgang Mohn.
Wolfgangs minimaler Anspruch für unsere geplante Schülerzeitung war die politische Kampflinie von Georg Büchners »Hessischen Landboten« (»Friede den Hütten! Krieg den Palästen!«), gepaart mit dem kommerziellen Erfolg von Disneys »Lustigen Taschenbüchern«. Die Schülerzeitung wäre Mohns persönliches Zentralorgan, das war uns anderen nach spätestens drei Minuten klar. Sollte er doch, dachte ich. Mir fehlte jede Lust, über die abgehakten Tagungspunkte der letzten Schulsprecherversammlung auf Kreisebene oder die Satzungsänderung in der Elternratsverordnung zu berichten.
»Was möchtest du denn schreiben, Tom?« fragte mich Wolfgang schließlich direkt.
Nichts, wofür ich vorher in langweiligen Versammlungen herumsitzen muss, schoss es mir sofort durch den Sinn.
»Satire. Ein paar Witze reißen. So was in der Art.«
»Bloß nicht schwitzen bei der Arbeit, was?«
Das kam von Doro. Sie grinste süffisant dabei. Durchschaut.
Ich bemühte mich um einen Konter. »Schwitzen kann jeder, das muss ich nicht auch noch. Was willst du denn machen?«
»Kunst. Zeichnungen. Geschichten. Was so anfällt.«
Sie zog die schmalen Schultern hoch, wobei ihr T-Shirt der Bewegung folgte und zwischen dem unteren Rand und ihrer Jeans einen knusprig braunen Bauchstreifen entblößte. Ihr flacher Nabel schien mir verrucht zuzuzwinkern. Die Sommerferien waren erst ein paar Wochen her. Plötzlich schlug vor meinem geistigen Auge der Atlantik Gischt und Wellen, und eine splitternackte Doro lief über weißen Sand. Erst, als ihre Schultern wieder absackten, vor der Peepshow der Vorhang fiel, die Kulisse jäh von Strandpanorama auf ausgestopften Uhu umschnitt und meine Atmung wieder einsetzte, registrierte ich Wolfgang Mohns forschenden Blick. Es war genau die Sorte Blick, die ein Wissenschaftler durchs Mikroskop wirft. Und mal ganz klar, wer hier die Amöbe auf dem Objektträger war...
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Ergänzend zu dem Roman »Wie mich mein Deutschlehrer fast umbrachte …« hat Jan Schröter ein zweites Buch geschrieben: »Jan Schröters Goldene Schreibregeln«. In diesem Werk lässt er die Leser hinter die Kulissen des professionellen Schreibens und das Leben als Autor blicken, natürlich mit einer satten Portion Humor und höchst unterhaltsam.
© Autorenfoto: Hocky Neubert
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Autoren live: Tatort-Schreibtisch-Hörbuch der Woche
Peter Godazgar: "Der tut nix, der will bloß morden!"
Ein Einbrecher mit Hexenschuss, ein fanatischer Toilettenpapiersammler, zwei Dumpfbacken, die eine Sex-Hotline für Damen mit gehobenem Anspruch eröffnen: Es sind, gelinde gesagt, etwas schräge Typen, die Peter Godazgars Short Stories bevölkern...
Die meisten Akteure führen nichts Böses im Schilde, wie etwa Manni Schibulski, der größte Udo-Lindenberg-Fan der Welt, der einfach nur in Ruhe den Geburtstag seines Stars feiern möchte. Oder Helga, die Politesse, die in ihrem Eifer nicht merkt, dass es eben keine ganz normalen Falschparker sind, mit denen sie sich da anlegt. Allesamt verträgliche Typen, die wirklich niemandem etwas tun. Eigentlich. Man darf sie nur nicht ärgern …
Die Stories von Peter Godazgar gehören zum Lustigsten, was die deutsche Krimiszene zu bieten hat. Vom Autor gelesen, sind sie noch lustiger!
ISBN 9783946312376
Hörbuch zum Download: 9,99 €
Hörbuch ohne Anmeldung kaufen

Peter Godazgar, Jahrgang 1967, wuchs am Niederrhein auf, studierte in Aachen, ging als Journalist in den Osten Deutschlands und ist derzeit Redakteur und Redenschreiber in der Pressestelle der Stadt Halle (Saale). Seine mörderischen Phantasien abseits seines Tagewerks verarbeitet er in bösen Kriminalromanen. Bekannt geworden ist er durch seine rabenschwarzen und sehr komischen Krimigeschichten, in denen er mit einem untrüglichen Sinn für groteske Pointen seine Figuren von einem Fettnapf zum nächsten führt. 2017 wurde er mit einer dieser Geschichten für den renommierten Friedrich-Glauser-Preis nominiert.
„Tatort Schreibtisch - Autoren live“ ist eine Hörbuch-Reihe, in der renommierte und beliebte Schriftstellerinnen und Schriftsteller ihre eigenen Bücher vorstellen. Jeden Monat erscheint ein Roman, ungekürzt und wie bei einer Autoren-Lesung vom Autor selbst eingesprochen. Das ist für Fans eine Chance, ihre Lieblingsautoren ganz neu kennenzulernen, und für alle anderen eine gute Gelegenheit, neue und besondere Autoren zu entdecken.
Die Stories von Peter Godazgar gehören zum Lustigsten, was die deutsche Krimiszene zu bieten hat. Vom Autor gelesen, sind sie noch lustiger!
ISBN 9783946312376
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Peter Godazgar, Jahrgang 1967, wuchs am Niederrhein auf, studierte in Aachen, ging als Journalist in den Osten Deutschlands und ist derzeit Redakteur und Redenschreiber in der Pressestelle der Stadt Halle (Saale). Seine mörderischen Phantasien abseits seines Tagewerks verarbeitet er in bösen Kriminalromanen. Bekannt geworden ist er durch seine rabenschwarzen und sehr komischen Krimigeschichten, in denen er mit einem untrüglichen Sinn für groteske Pointen seine Figuren von einem Fettnapf zum nächsten führt. 2017 wurde er mit einer dieser Geschichten für den renommierten Friedrich-Glauser-Preis nominiert.
„Tatort Schreibtisch - Autoren live“ ist eine Hörbuch-Reihe, in der renommierte und beliebte Schriftstellerinnen und Schriftsteller ihre eigenen Bücher vorstellen. Jeden Monat erscheint ein Roman, ungekürzt und wie bei einer Autoren-Lesung vom Autor selbst eingesprochen. Das ist für Fans eine Chance, ihre Lieblingsautoren ganz neu kennenzulernen, und für alle anderen eine gute Gelegenheit, neue und besondere Autoren zu entdecken.
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Autorenpatin der Woche
Sophie Reyer zeichnet sich durch ihr vielfältiges Schaffen aus. Sie hat nicht nur Komposition / Musiktheater und Germanistik studiert...
Dr. Sophie Reyer
Autorenpatin für Prosa, Drama, Hörspiel und LyrikSophie Reyer zeichnet sich durch ihr vielfältiges Schaffen aus. Sie hat nicht nur Komposition / Musiktheater und Germanistik studiert...
sondern auch
Szenisches Schreiben bei uniT sowie Drehbuch an der Kunsthochschule für
Medien Köln. Unlängst dissertierte sie an der Universität für
angewandten Kunst Wien und trägt nun den Doktortitel der Philosophie.
Für ihre zahlreichen literarischen, lyrischen, szenischen und
wissenschaftlichen Texte hat die knapp 30jährige bereits etliche Preise
gewonnen, darunter den Literaturförderungspreis der Stadt Graz, den
Manuskripte- Förderungspreis sowie den Wiener Staatspreis für die beste
Dissertation 2018. Sophie Reyer leitet außerdem den Lehrgang für
Schreibpädagogik in Wien sowie die JugendLiteraturwerkstatt in Graz.
Ihre Theatertexte werden vom S. Fischer-Verlag vertreten.
Sophie Reyer ist eine der Paten im Autorenpaten-Programm von Tatort-Schreibtisch.
Bibliographie (Auswahl):
Prosa
vertrocknete vögel, Leykam, Graz
baby blue eyes, Ritter, Klagenfurt
Tausendundein Tag, Keiper
schnee schlafen, Löcker-Verlag, Wien
Schildkrötentage, Czernin
Drama
puppenkiste, Schauspielhaus Wien
Anna und der Wulian, Badische Landesbühne
we are the play, English Theater Berlin
trip trap tropf, Kindertheaterstück, Jeunesse Wien
Neue Welten, Landestheater Linz
Die Verwandlung, Schloßtheater Maßbach
Lyrik
geh dichte, EYE-Verlag
binnen (miniaturen), Leykam
flug (spuren), Edition Keiper
die gezirpte Zeit, Berger-Verlag
Hörspiel
weißes Rauschen, ö1
ölspiel, ö1
so sein, ö1
baumleberliebe, ö1
Drehbuch
Metamprhosis, Kurzfilm
Die Erfahrung, Kurzfilm, auch Regie
dizzy's pub, Kurzfilm, auch Regie
Außerdem zahlreiche Texte in Anthologien, Zeitungen und Literaturzeitschriften
zum Autorenpaten-Programm
Sophie Reyer ist eine der Paten im Autorenpaten-Programm von Tatort-Schreibtisch.
Bibliographie (Auswahl):
Prosa
vertrocknete vögel, Leykam, Graz
baby blue eyes, Ritter, Klagenfurt
Tausendundein Tag, Keiper
schnee schlafen, Löcker-Verlag, Wien
Schildkrötentage, Czernin
Drama
puppenkiste, Schauspielhaus Wien
Anna und der Wulian, Badische Landesbühne
we are the play, English Theater Berlin
trip trap tropf, Kindertheaterstück, Jeunesse Wien
Neue Welten, Landestheater Linz
Die Verwandlung, Schloßtheater Maßbach
Lyrik
geh dichte, EYE-Verlag
binnen (miniaturen), Leykam
flug (spuren), Edition Keiper
die gezirpte Zeit, Berger-Verlag
Hörspiel
weißes Rauschen, ö1
ölspiel, ö1
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Die Erfahrung, Kurzfilm, auch Regie
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Frage der Woche

Autorenfoto: Manfred Wasshuber
Ich nehme an, Sie möchten die schlechte Nachricht zuerst von mir erfahren: leider nein. Wenn Sie weiterhin als Autor für Ihren Verlag schreiben wollen, führt der Weg am Vorab-Exposé nicht vorbei.
Und jetzt die gute Nachricht: Das Schreiben eines Exposés kann man lernen. Und auch das im Voraus Planen und das Plotten...
Glauben Sie mir, die meisten Autoren hassen das Schreiben des Exposés und hadern jedes Mal damit. Ich habe ich mich anfangs auch gewehrt, aber festgestellt, dass das Aufschreiben der Ideen genau mein Ding ist. Inzwischen gehöre ich zu den Autoren, die das Schreiben von Exposés lieben und fünf Mal mehr Exposés im Speicher ihres Computers haben als fertige Manuskripte. ;-) Gott sei Dank wird nicht aus jeder Idee gleich ein Buch…
Aber warum verlangt der Verlag, für den Sie bereits ein Buch verfasst haben, ein Exposé von Ihrem zweiten Buch, das zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht geschrieben ist? Warum wartet er nicht einfach ab, bis Sie fertig sind? Schließlich weiß der Verlag jetzt ja, dass Sie schreiben können. Sie fragen sich vielleicht, ob er Ihnen nicht vertraut?
Wäre das der Fall, könnte man sich tatsächlich ärgern, dass der Verlag trotzdem ein Exposé verlangt.
Doch so einfach ist es nicht. Der Verlag braucht Ihr Exposé, denn die Programmplanung beginnt immer mindestens ein Jahr, bei großen Verlagen sogar zwei Jahre vor dem Erscheinungstermin. Das bedeutet, wenn der Verlag jetzt erst warten müsste, bis Sie den neuen Roman fertig geschrieben haben, um dann das Exposé zu verfassen, wird der Erscheinungstermin noch weiter in die Zukunft verschoben.
Und das ist nicht in Ihrem Sinne, vor allem, wenn Sie mit Ihren Büchern eine Serie schreiben. Denn die Fans erwarten Nachschub, am liebsten im Jahrestakt.
Damit der Verlag das planen kann, braucht er die Exposés für die nächsten Bände so früh wie möglich, denn die Vertreterkonferenzen finden Monate vor dem Erscheinungstermin statt und auch die Kataloge werden ein halbes Jahr vor dem Erscheinungstermin gedruckt. Bald darauf wird die Presse angeschrieben.
Für all diese Dinge müssen Cover, Titel, Klappentexte und Werbetexte bereits stehen, und das geht nur, wenn der Verlag rechtzeitig weiß, worum es in Ihrem neuen Buch geht. Außerdem sieht der Verlag sofort, ob nicht ein anderer Autor ein Buch mit derselben Grundidee oder demselben Thema schreibt oder schon geschrieben hat und dieses Buch noch vor dem Ihrem erscheinen wird. Eine Doppelung ist nicht im Sinne des Verlages, und er würde Sie dann bitten, eine andere Idee umzusetzen.
Wenn Sie mit einer Agentur zusammenarbeiten, müssen Sie Ihr Exposé noch rascher liefern, da die Agentur die Verhandlungen nur auf Basis des Exposés und manchmal auch ausgeschriebenen ersten Probekapiteln führen kann.
Also lernen Sie das Schreiben von Exposés. Auch weil Sie vielleicht von der Agentur eines Tages den Auftrag bekommen könnten, über ein bestimmtes Thema zu schreiben, weil ein Verlag genau so etwas sucht oder die eingereichten Manuskripte nicht mag, aber trotzdem an Ihnen als Autor/in interessiert ist und deshalb um andere Ideen bittet. Die Agentur geht dann mit dem Exposé auf Verlagssuche und verhandelt den Vorschuss.
Manchmal gibt es sogar nur auf Basis eines Exposés Auktionen, an denen mehrere Verlage teilnehmen, weil sie sich alle für den Stoff interessieren. So ist es bei meinem zweiten Thriller gewesen. Übrigens stimmt der Schluss im Exposé mit dem Ende im tatsächlich erschienenen Werk nicht mehr überein. Er ist sogar wesentlich besser. ;-)
Ändern können Sie es nicht, dass Sie auch in Zukunft immer Exposés liefern müssen (es sei denn, Sie entscheiden sich für das Selfpublishing), selbst wenn Sie schon mehrere Jahre im gleichen Verlag sind oder bereits als Bestsellerautor schreiben. Denn ob Sie es glauben oder nicht, auch diese schreiben immer noch Exposés…
Jennifer B. Wind, Bestsellerautorin aus Österreich, sprudelt nur so vor Ideen, was nicht nur ihre Werke, sondern auch ihr Leben spannend macht. Sie arbeitete als Journalistin und als Flugbegleiterin, war Mitglied einer Musicalcompany, stand vor der Kamera und auf der Bühne und ließ sich berufsbegleitend zur Drehbuchautorin ausbilden. Gleich ihr Debüt, der Thriller „Als Gott schlief“, wurde zum Bestseller. Inzwischen kümmert Sie sich auch um Nachwuchsautoren, ist Autorenpatin bei „Tatort-Schreibtisch“ und hat eine Webseite, auf der Sie viel von sich erzählt: www.jennifer-b-wind.com
Hilfe bietet auch die Exposé-Beratung im Autorenpaten-Programm von Tatort-Schreibtisch
Nach meinem ersten Buch will mein Verlag ein Exposé für eine Fortsetzung. Ich habe so etwas noch nie gemacht, ich schreibe normalerweise einfach drauflos. Geht es nicht auch ohne Exposé?
Von Jennifer B. Wind
Autorenfoto: Manfred Wasshuber
Ich nehme an, Sie möchten die schlechte Nachricht zuerst von mir erfahren: leider nein. Wenn Sie weiterhin als Autor für Ihren Verlag schreiben wollen, führt der Weg am Vorab-Exposé nicht vorbei.
Und jetzt die gute Nachricht: Das Schreiben eines Exposés kann man lernen. Und auch das im Voraus Planen und das Plotten...
Glauben Sie mir, die meisten Autoren hassen das Schreiben des Exposés und hadern jedes Mal damit. Ich habe ich mich anfangs auch gewehrt, aber festgestellt, dass das Aufschreiben der Ideen genau mein Ding ist. Inzwischen gehöre ich zu den Autoren, die das Schreiben von Exposés lieben und fünf Mal mehr Exposés im Speicher ihres Computers haben als fertige Manuskripte. ;-) Gott sei Dank wird nicht aus jeder Idee gleich ein Buch…
Aber warum verlangt der Verlag, für den Sie bereits ein Buch verfasst haben, ein Exposé von Ihrem zweiten Buch, das zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht geschrieben ist? Warum wartet er nicht einfach ab, bis Sie fertig sind? Schließlich weiß der Verlag jetzt ja, dass Sie schreiben können. Sie fragen sich vielleicht, ob er Ihnen nicht vertraut?
Wäre das der Fall, könnte man sich tatsächlich ärgern, dass der Verlag trotzdem ein Exposé verlangt.
Doch so einfach ist es nicht. Der Verlag braucht Ihr Exposé, denn die Programmplanung beginnt immer mindestens ein Jahr, bei großen Verlagen sogar zwei Jahre vor dem Erscheinungstermin. Das bedeutet, wenn der Verlag jetzt erst warten müsste, bis Sie den neuen Roman fertig geschrieben haben, um dann das Exposé zu verfassen, wird der Erscheinungstermin noch weiter in die Zukunft verschoben.
Und das ist nicht in Ihrem Sinne, vor allem, wenn Sie mit Ihren Büchern eine Serie schreiben. Denn die Fans erwarten Nachschub, am liebsten im Jahrestakt.
Damit der Verlag das planen kann, braucht er die Exposés für die nächsten Bände so früh wie möglich, denn die Vertreterkonferenzen finden Monate vor dem Erscheinungstermin statt und auch die Kataloge werden ein halbes Jahr vor dem Erscheinungstermin gedruckt. Bald darauf wird die Presse angeschrieben.
Für all diese Dinge müssen Cover, Titel, Klappentexte und Werbetexte bereits stehen, und das geht nur, wenn der Verlag rechtzeitig weiß, worum es in Ihrem neuen Buch geht. Außerdem sieht der Verlag sofort, ob nicht ein anderer Autor ein Buch mit derselben Grundidee oder demselben Thema schreibt oder schon geschrieben hat und dieses Buch noch vor dem Ihrem erscheinen wird. Eine Doppelung ist nicht im Sinne des Verlages, und er würde Sie dann bitten, eine andere Idee umzusetzen.
Wenn Sie mit einer Agentur zusammenarbeiten, müssen Sie Ihr Exposé noch rascher liefern, da die Agentur die Verhandlungen nur auf Basis des Exposés und manchmal auch ausgeschriebenen ersten Probekapiteln führen kann.
Also lernen Sie das Schreiben von Exposés. Auch weil Sie vielleicht von der Agentur eines Tages den Auftrag bekommen könnten, über ein bestimmtes Thema zu schreiben, weil ein Verlag genau so etwas sucht oder die eingereichten Manuskripte nicht mag, aber trotzdem an Ihnen als Autor/in interessiert ist und deshalb um andere Ideen bittet. Die Agentur geht dann mit dem Exposé auf Verlagssuche und verhandelt den Vorschuss.
Manchmal gibt es sogar nur auf Basis eines Exposés Auktionen, an denen mehrere Verlage teilnehmen, weil sie sich alle für den Stoff interessieren. So ist es bei meinem zweiten Thriller gewesen. Übrigens stimmt der Schluss im Exposé mit dem Ende im tatsächlich erschienenen Werk nicht mehr überein. Er ist sogar wesentlich besser. ;-)
Ändern können Sie es nicht, dass Sie auch in Zukunft immer Exposés liefern müssen (es sei denn, Sie entscheiden sich für das Selfpublishing), selbst wenn Sie schon mehrere Jahre im gleichen Verlag sind oder bereits als Bestsellerautor schreiben. Denn ob Sie es glauben oder nicht, auch diese schreiben immer noch Exposés…
Jennifer B. Wind, Bestsellerautorin aus Österreich, sprudelt nur so vor Ideen, was nicht nur ihre Werke, sondern auch ihr Leben spannend macht. Sie arbeitete als Journalistin und als Flugbegleiterin, war Mitglied einer Musicalcompany, stand vor der Kamera und auf der Bühne und ließ sich berufsbegleitend zur Drehbuchautorin ausbilden. Gleich ihr Debüt, der Thriller „Als Gott schlief“, wurde zum Bestseller. Inzwischen kümmert Sie sich auch um Nachwuchsautoren, ist Autorenpatin bei „Tatort-Schreibtisch“ und hat eine Webseite, auf der Sie viel von sich erzählt: www.jennifer-b-wind.com
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Tatort-Schreibtisch-Kolumne
Fragen Sie sich manchmal, wo Ihre Bücher gelesen werden? Auf dem Kuschelsofa oder im Liegestuhl im Garten? Morgens im Bett oder nachts in der Küche? Auf dem Weg zur Arbeit oder zwischendurch auf dem Klo? Man erfährt es selten, welchen Weg die eigenen Bücher gehen...
Sprich nie deine Leser an!
von Markus StromiedelFragen Sie sich manchmal, wo Ihre Bücher gelesen werden? Auf dem Kuschelsofa oder im Liegestuhl im Garten? Morgens im Bett oder nachts in der Küche? Auf dem Weg zur Arbeit oder zwischendurch auf dem Klo? Man erfährt es selten, welchen Weg die eigenen Bücher gehen...
Es ist schon ein paar Jahre her, da entdeckte ich einen meiner Thriller im Buchregal eines bedeutenden Mannes (hmm, keine Ahnung, wer das war, hab ich vergessen, war aber ganz sicher ein äußerst bedeutender). Die Regalwand hinter ihm war die Tapete für ein Fernsehinterview, und mein Buch mit seinem rot-schwarzen Cover stach deutlich sichtbar aus dem Cover-Ensemble hervor. Nett.
Ein anderes mal hat mir ein befreundeter Autor erzählt, dass er einen meiner Romane im Zug gelesen und dann vergessen hat. (Nein, nein, das Buch habe ihm wirklich gut gefallen, es sei keine Absicht gewesen, hat er behauptet. Ich weiß ja nicht: Freud hätte vermutlich seine Freude gehabt.) Leider endete hier sein Bericht: Ob das Buch im Müllsack des Reinigungspersonals oder im Koffer eines Reisenden gelandet ist, wusste der Kollege nicht.
Oder dies: Von einer früheren Klassenkameradin bekam ich einmal eine Mail, sie habe eine junge Frau eines meiner Bücher in der Straßenbahn lesend gesehen und sie wegen des Autorennames auf dem Cover angesprochen, um daraufhin wegen der Störung grob abgebügelt zu werden: Das Buch sei gerade zu spannend, um über den Autor und irgendwelche rührseligen Jugendstorys zu reden.
Welch großartiger Moment! Da wäre ich gerne dabei gewesen. Das ist ja ohnehin der Traum eines jeden Schreibenden: auf einen Leser zu treffen, der aufgeregt und mit roten Ohren in eines der Bücher mit dem bekannten Namen auf dem Cover vertieft ist und in Ehrfurcht erstarrt, wenn er oder sie den Urheber der erhebenden Zeilen begegnet.
Wahrscheinlicher ist eine andere Situation: Man trifft auf einen Leser, der einem dezidiert darlegt, warum die Geschichte an dieser oder jener Stelle unlogisch und das Buch ohnehin total bescheuert ist, und dass jeder halbwegs dem Schreiben mächtige so eine Grütze zehnmal besser hinbekommen könne. Amazon lässt grüßen, die neue Ehrlichkeit ist doch eine prima Sache, sehr aufbauend.
Mir hat eine Autorenfreundin eindrücklich nahgelegt, als Autor nie – wirklich niemals! – einen Leser anzusprechen, der in das Buch aus eigener Feder vertieft ist. Vor allem nicht im Zug, wenn der nächste Bahnhof noch 60 Minuten entfernt ist.
Mich hat ein Foto aus Tansania erreicht, es ist von Oliver Zantow, der es während seines beruflichen Aufenthaltes in Afrika aufgenommen hat. Ein herrliches Bild, es steht oben über diesem Text. Wahrscheinlich ist der Roman auf dem Kopf des Mädchens die vom Fotografen aus Deutschland mitgebrachte Lektüre, um am Abend zu entspannen. Aber die Vorstellung, dass ein Mädchen aus Tansania sich während eines deutsch-tansanaischen Bildungsprojekts durch das Tatort-Schreibtisch-Buch "Wie mich mein Deutschlehrer fast umbrachte…" von Jan Schröter kämpft, vollkommen verblüfft von den überaus seltsamen Dingen, die offenbar hier in Deutschland passieren, ist einfach großartig.
Markus Stromiedel ist Autor und Drehbuchautor und einer der Autorenpaten von Tatort-Schreibtisch
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Ein anderes mal hat mir ein befreundeter Autor erzählt, dass er einen meiner Romane im Zug gelesen und dann vergessen hat. (Nein, nein, das Buch habe ihm wirklich gut gefallen, es sei keine Absicht gewesen, hat er behauptet. Ich weiß ja nicht: Freud hätte vermutlich seine Freude gehabt.) Leider endete hier sein Bericht: Ob das Buch im Müllsack des Reinigungspersonals oder im Koffer eines Reisenden gelandet ist, wusste der Kollege nicht.
Oder dies: Von einer früheren Klassenkameradin bekam ich einmal eine Mail, sie habe eine junge Frau eines meiner Bücher in der Straßenbahn lesend gesehen und sie wegen des Autorennames auf dem Cover angesprochen, um daraufhin wegen der Störung grob abgebügelt zu werden: Das Buch sei gerade zu spannend, um über den Autor und irgendwelche rührseligen Jugendstorys zu reden.
Welch großartiger Moment! Da wäre ich gerne dabei gewesen. Das ist ja ohnehin der Traum eines jeden Schreibenden: auf einen Leser zu treffen, der aufgeregt und mit roten Ohren in eines der Bücher mit dem bekannten Namen auf dem Cover vertieft ist und in Ehrfurcht erstarrt, wenn er oder sie den Urheber der erhebenden Zeilen begegnet.
Wahrscheinlicher ist eine andere Situation: Man trifft auf einen Leser, der einem dezidiert darlegt, warum die Geschichte an dieser oder jener Stelle unlogisch und das Buch ohnehin total bescheuert ist, und dass jeder halbwegs dem Schreiben mächtige so eine Grütze zehnmal besser hinbekommen könne. Amazon lässt grüßen, die neue Ehrlichkeit ist doch eine prima Sache, sehr aufbauend.
Mir hat eine Autorenfreundin eindrücklich nahgelegt, als Autor nie – wirklich niemals! – einen Leser anzusprechen, der in das Buch aus eigener Feder vertieft ist. Vor allem nicht im Zug, wenn der nächste Bahnhof noch 60 Minuten entfernt ist.
Mich hat ein Foto aus Tansania erreicht, es ist von Oliver Zantow, der es während seines beruflichen Aufenthaltes in Afrika aufgenommen hat. Ein herrliches Bild, es steht oben über diesem Text. Wahrscheinlich ist der Roman auf dem Kopf des Mädchens die vom Fotografen aus Deutschland mitgebrachte Lektüre, um am Abend zu entspannen. Aber die Vorstellung, dass ein Mädchen aus Tansania sich während eines deutsch-tansanaischen Bildungsprojekts durch das Tatort-Schreibtisch-Buch "Wie mich mein Deutschlehrer fast umbrachte…" von Jan Schröter kämpft, vollkommen verblüfft von den überaus seltsamen Dingen, die offenbar hier in Deutschland passieren, ist einfach großartig.
Markus Stromiedel ist Autor und Drehbuchautor und einer der Autorenpaten von Tatort-Schreibtisch
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Tatort der Woche
"Meinen" Schreibtisch gibt es nicht. Ich bin – zu Lesungen oder zur Recherche – so oft unterwegs, dass meine Kriminalromane und Kurzkrimis in aller Regel an Hotelzimmerschreibtischen entstehen. Das ist nicht immer ergonomisch ideal, bietet aber...
Wechselstube
von Tatjana Kruse"Meinen" Schreibtisch gibt es nicht. Ich bin – zu Lesungen oder zur Recherche – so oft unterwegs, dass meine Kriminalromane und Kurzkrimis in aller Regel an Hotelzimmerschreibtischen entstehen. Das ist nicht immer ergonomisch ideal, bietet aber...
zumeist phantastische Ausblicke auf Land und Leute. Meinen Laptop habe ich ohnehin immer dabei, und all meine Ideen, Plots und Charakterstudien sind in einer App meines Handys notiert. Einen Tauchsieder und Instant-Kaffee habe ich immer dabei, und schon kann's losgehen ...
Mehr Informationen über das Hörbuch von Tatjana Kruse
Mehr Informationen über das Hörbuch von Tatjana Kruse
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Fragen und Antworten - sofort!
Facebook-Gruppe bietet Forum für den direkten AustauschMitglieder der Facebook-Community haben ab sofort die Möglichkeit, mit vielen der Autorenpaten aus dem Tatort-Schreibisch-Patenprogramm direkt in Kontakt zu treten. In der Gruppe "Autoren-Tipps und Tricks" können Schreib-Interessierte Fragen stellen, die von den Profi-Autoren und -Autorinnen beantwortet werden.
Hier geht es zur Facebook-Gruppe
Schreibregel der Woche

© Autorenfoto: Hocky Neubert
Ein Albtraum, den jeder kennt: Sie sind Schüler, sitzen im Klassenraum und schreiben einen Aufsatz. Das heißt, Sie überlegen noch, was Sie schreiben sollen. Sämtliche Mitschüler legen eifrig los, alle Stifte flitzen hurtig übers Papier, nur nicht der Ihre. In Ihrem Kopf rasen die Gedanken, Sie erwägen fieberhaft alle möglichen Ansätze für die Aufsatz-Einleitung. Sie verwerfen einen nach dem anderen, bis im zerquälten Oberstübchen nur noch die Sekunden bis zum Pausengong herunterticken, lauter als die Bahnhofsuhr in „Zwölf Uhr mittags“...
Ohne Schreiben kein Text. Ohne Schreibdisziplin kein Buch.
von Jan Schröter
© Autorenfoto: Hocky Neubert
Ein Albtraum, den jeder kennt: Sie sind Schüler, sitzen im Klassenraum und schreiben einen Aufsatz. Das heißt, Sie überlegen noch, was Sie schreiben sollen. Sämtliche Mitschüler legen eifrig los, alle Stifte flitzen hurtig übers Papier, nur nicht der Ihre. In Ihrem Kopf rasen die Gedanken, Sie erwägen fieberhaft alle möglichen Ansätze für die Aufsatz-Einleitung. Sie verwerfen einen nach dem anderen, bis im zerquälten Oberstübchen nur noch die Sekunden bis zum Pausengong herunterticken, lauter als die Bahnhofsuhr in „Zwölf Uhr mittags“...
In der ersten Reihe sammelt der Lehrer bereits die Hefte ein, irgendwo weiter hinten erstarren Sie im zähen Sumpf von Resignation, Selbstmitleid und dem sicheren Gefühl, wieder einmal komplett versagt zu haben. Das macht Sie dann dermaßen fertig, dass Sie sogar froh darüber sind, wenn in diesem Moment der Wecker klingelt, es sechs Uhr früh an einem nasskalten Novembermontag ist und bloß Ihr Job in der Tretmühle auf Sie wartet.
Sogar professionelle Schreiber sind vor diesem Albtraum nicht sicher. Er holt sie oft genug in der Realität ein, und dann rettet sie kein Wecker. Man sollte meinen, ein Schreibprofi weiß, was er zu schreiben hat. Falls nicht, könnte er ja den Auftrag ablehnen oder, falls er ihn bereits angenommen hat, kurzerhand absagen.
Das passiert allerdings fast nie, aus gutem Grund. Freischaffende Künstler sind finanziell eher selten auf Rosen gebettet. Selbst wenn, wissen sie nie, wie lange diese Glückssträhne währt. Ich kenne großartige Autoren, die seit Jahrzehnten sehr gut im Geschäft sind und trotzdem in tiefer Angst davor leben, übermorgen wieder dort zu sein, wo sie mal zu Beginn ihrer Karriere waren: chronisch pleite und ohne Aufträge.
Egal, ob etablierter Profi oder ambitioniertes Nachwuchstalent, kaum ein Autor lehnt einen angemessen honorierten Auftrag ab. Die Frage, ob einem das Projekt wirklich gefällt und ob man ihm gewachsen ist, stellt man sich lieber nicht oder beantwortet sie nicht ehrlich. Ebenso verdrängt man allzu gern bei der Vertragsunterschrift, dass es vielleicht noch weitere Projekte gibt, deren Abgabetermine sich überschneiden. Monatelang wollte keiner was von einem, plötzlich kommen mehrere Angebote aus verschiedenen Ecken. So ist es meistens. Und man sagt zu, weil man ahnt, dass danach wieder monatelang nichts läuft.
Schon ist der Albtraum programmiert.
Bald, sehr bald nach gegebener Zusage wird einem bewusst, dass man einem knüppelharten Arbeitsmarathon entgegensieht, an dessen Ende man möglicherweise trotz aller Mühen nicht durchs Ziel kommt. Vielleicht, hoffentlich, hat man ein paar Vorstellungen davon, wie man die erforderlichen Texte gestalten möchte. Aber man weiß, es wird heftig. Die Anstrengung wird einen fertigmachen und es wird weh tun.
Ich kenne mich selbst und außerdem eine Menge geschätzter Autorenkolleginnen und -kollegen. Deshalb kann ich Ihnen verraten, was die meisten Schreibprofis in dieser Situation tun:
Alles Mögliche. Vielleicht schreiben sie sogar. Allerdings eher nicht am drängendsten Problemprojekt.
Autoren sind von Berufs wegen fantasiebegabt. Und selten kreativer als in einer Situation, in der es gilt, eine Beschäftigung zu finden, die so dringend und unaufschiebbar ist, dass man unmöglich stattdessen am Problemprojekt schreiben könnte. „Prokrastination“ lautet das Fachwort für diesen Zustand. Für die Nicht-Lateiner unter uns: „procastrinare“ bedeutet vertagen, zusammengesetzt aus pro = für und cras = morgen. Gemeint ist das extreme Aufschieben eigentlicher Notwendigkeiten, und das gilt in verschärfter Ausprägung durchaus als pathologisches Krankheitsbild.
Bis zum zwangsweisen Klappsmühlenaufenthalt lassen es Autoren in der Regel nicht kommen, aber manchmal fehlt nicht viel. Das Gute dabei ist: Wer als Autor auf langjährige Selbsterfahrung mit der „Aufschieberitis“ zurückblickt, kennt seine persönlichen Macken und setzt sie im Idealfall sogar strategisch klug ein. Beispielsweise beginnt eine Drehbuchautorin aus meinem Freundeskreis unweigerlich ihren kompletten Haushalt inklusive Gemeinschaftstreppenhaus zu putzen, wenn sie eigentlich am Problemprojekt sitzen müsste. Sie putzt, fegt und schrubbt solange, bis selbst Meister Propper keine Schliere mehr fände – erst dann setzt sie sich an den Schreibtisch. Manchmal kommen ihre in Süddeutschland lebenden Eltern zu Besuch und wohnen eine Zeitlang bei ihr. „Ich lade sie immer für den Tag nach meinem allerhärtesten Abgabetermin ein“, verriet mir die Kollegin, „dann ist meine Bude noch auf Hochglanz, weil ich sowieso keine Zeit hatte, irgendwelchen Dreck zu machen.“
Man darf also seinen Macken getrost Raum geben. Auch denen, die einen zunächst vom Schreiben abhalten. Klar ist aber: Irgendwann muss es losgehen. So rechtzeitig, dass man sich die Chance wahrt, das Werk fristgerecht zu vollenden. Wer tatenlos auf einen Musenkuss oder den vorbeigaloppierenden Pegasus hofft, wird scheitern. Bewusstseinserweiternde Drogen oder Alkohol sind, zumindest langfristig, ebenso wenig zielführend.
Wer keine Zeile schreibt, schreibt keinen Text. Es ist Schreibdisziplin gefragt.
Mancher empfindet vielleicht Disziplin und Kreativität als Widerspruch. Ich bin anderer Meinung. Will man ein Berufsleben lang, also über mehrere Jahrzehnte, als Autor vom Geschriebenen leben, ist eine gewisse Berechenbarkeit der Einkünfte gefragt. Regelmäßige Produktion und Veröffentlichung ist dafür die Grundvoraussetzung. Selbst jemand, der nur ein einziges Buch verfassen möchte, ganz ohne kommerzielle Ambitionen, kommt nicht ohne Schreibdisziplin zum ersehnten Ziel.
„Darüber müsste ich mal ein Buch schreiben.“ Ja, wenn es so einfach wäre …Vielleicht könnte man vorher noch die Fenster putzen, und die Abstellkammer muss auch dringend aufgeräumt werden ...
STOP! Jetzt fangen Sie endlich an! Achtung, es geht los:
- Verschaffen Sie sich (besonders für den Anfang) ausreichend große Zeitfenster. Die freie halbe Stunde zwischen Großeinkauf und dem Abholen Ihrer Tochter vom Reitunterricht ist kein geeigneter Zeitpunkt, um ein epochales Literaturmeisterwerk zu beginnen. Entweder vergessen Sie Ihre Tochter (gibt Ärger), oder Sie bringen Ihre Worte nicht hinreichend auf den Punkt (gibt Frust). Zwei ungestörte, zusammenhängend dem Schreibwerk gewidmete Stunden sollten es anfangs mindestens sein. Ganze Vor- oder Nachmittage wären besser. Ein kompletter Arbeitstag im Dienste der ersten Seite(n) wäre optimal.
- Wählen Sie für sich den Arbeitsplatz, an dem Sie sich am besten aufs Schreiben fokussieren können. Ich kenne einige mobile Genies, die nur ihr Notebook benötigen, um zu schreiben – egal, ob sie damit im Café, im Zug, auf grüner Wiese oder sonstwo sitzen. Die meisten der mir persönlich bekannten Autoren halten es jedoch wie ich: Sie entscheiden sich für ein Zimmer, in dem sie allein sind und die Tür hinter sich schließen können. Nicht jeder genießt den Luxus eines eigenen Arbeitszimmers. Während meiner Autoren-Anfangsjahre war mir das auch nicht vergönnt. Dass mir während der Arbeit mein damals kleiner Sohn auf seinem Bobby-Car gegen das Schienbein fuhr oder er die Gleise seiner Spielzeugeisenbahn leider genau unter meinem Schreibtischstuhl hindurch verlegen musste, passierte ziemlich oft. Dass ich dann, statt zu schreiben, lieber mit ihm und seiner Eisenbahn spielte, leider auch. Trotzdem sind auch unter diesen Bedingungen Bücher entstanden. Doch als ich später endlich über ein eigenes, separates Schreibzimmer verfügte, war der Unterschied für mich deutlich spürbar.
- Überlegen Sie sich, ob Sie beim Schreiben die Sicht aus dem Fenster beflügelt oder eher ablenkt. Ob Sie Sonne brauchen oder lieber Kunstlicht. Um sich herum aufgeräumten Platz auf dem Schreibtisch bevorzugen oder kreatives Chaos. Finden Sie heraus, was Ihre Konzentrationsfähigkeit unterstützt. Mein Schreibtisch steht grundsätzlich an einer Wand, ich will nichts sehen als den Computer-Monitor. Sonne im Gesicht nervt mich beim Schreiben, da schließe ich gnadenlos die Jalousien. Ich würde lieber in einem Kellerverlies dichten als draußen im Garten. Ich bin ein regelrechter Schreibgrottenolm und kann nötigenfalls stundenlang auf ein und demselben Stuhl verharren. Der Dichter Gerhart Hauptmann (1862-1946) dagegen besaß in seinem Haus auf der schönen Ostseeinsel Hiddensee einen Arbeitsraum im lichtdurchfluteten, ellenlangen Kreuzgang – einzig möbliert mit einem Stehpult. Hauptmann pflegte stundenlang im Gang auf und ab zu patrouillieren, um zwischendurch am Pult sein Schreibwerk voranzutreiben. Oder es stand eine Privatsekretärin am Pult, der Hauptmann im Vorbeieilen ein paar geniale Formulierungen in die Feder diktierte. Über eine Privatsekretärin verfügen nun leider die Wenigsten von uns, was sicher auch daran liegt, dass wir – im Gegensatz zu Gerhart Hauptmann – nie den Literaturnobelpreis gewonnen haben.
Noch nicht.
- Selbst, wenn Sie einen soliden Beruf ausüben, lediglich „nebenbei“ ein Buch (Drehbuch, Theaterstück etc.) schreiben, noch keinen Abnehmer dafür haben und demzufolge auch nicht unter dem Druck eines drohenden Abgabetermins stehen: Wenn Sie es mit Ihrem Projekt ernst meinen, räumen Sie sich bitte auch nach erfolgtem Beginn weiterhin feste Zeiten für die Arbeit daran ein. Der Yogakurs, das Handballtraining, die Chorproben oder andere Hobbies finden schließlich auch zu festen Zeiten statt. Hegen Sie Ambitionen als Profi-Autor, sind die festen Arbeitszeiten ohnehin Pflicht. Sonst wüsste man ja auch gar nicht, wann wieder Prokrastination angesagt ist …
Es gibt beim Schreiben Tage, an dem einem schier gar nichts einfällt und keine Zeile gelingt. Es gibt die Tage, an denen es einfach läuft. Es gibt, zumindest im professionellen Bereich, extreme Turbulenzen wie ein enger Abgabetermin oder kurzfristige Änderungswünsche bezüglich des gerade vollendeten Drehbuchs, was dazu führen kann, dass sich Autorinnen oder Autoren neben Tagen auch noch die Nächte am Schreibtisch um die Ohren schlagen. Das sind, wie gesagt, außergewöhnliche Situationen. Für den gewöhnlichen Schriftstellertag kann ich Ihnen jedoch gewisse Parameter nennen, die ich mit den einschlägigen Erfahrungen einiger Autorenkollegen abgeglichen habe:
An normalen Tagen schreibt man ungefähr vier bis fünf Stunden konzentriert. Altgediente Recken bevorzugen dafür meist den Vormittag (ich auch), bei jüngere Menschen zünden die Ideen oft erst während einer Spätschicht. Spätestens nach fünf Stunden intensiven Schreibens macht die Kreativität schlapp. Manchmal kommt sie wieder in Schwung, wenn man eine kleine Pause macht, sich bewegt, etwas isst und trinkt. Meistens jedoch nicht. Dann liest man vielleicht das bisher Geschriebene noch einmal durch, macht sich Notizen, beantwortet die ein oder andere E-Mail oder googelt irgendeinen Müll – schon ist der Arbeitstag vorbei.
Sie müssen kein schlechtes Gewissen haben, weil Sie es auf diese Weise nicht auf acht konzentrierte Schreibstunden bringen. An fast allen anderen Arbeitsplätzen verbringen die Leute locker den halben Tag mit Themen aus der Gerüchteküche der Firma, Rauchpausen und dem Versenden von Witz-Cartoons. Aber machen Sie bitte nicht den Fehler, Ihren Arbeitstag zuerst mit den Mails und dem Google-Müll zu beginnen! Dann können Sie ihn nämlich meistens gleich vergessen.
Die ersten Tage an einem neuen Schreibprojekt verlaufen oft schleppend. Man schafft pro „Normaltag“ ein bis zwei Seiten, manchmal nur eine halbe. Doch selbst wenn es nur ein Absatz oder auch mal Nullkommanichts sein sollte – dran bleiben! Nachdenken. Weitermachen. Wenn sich allmählich die Sicherheit für die Geschichte einstellt, pegelt sich das Arbeitstempo bei verblüffend vielen Autoren auf die Geschwindigkeit von 1 S/h ein. S/h ist meine persönliche Schreib-Maßeinheit und bedeutet „Seite pro Stunde, 32 Zeilen á 70 Anschläge in der Schrift Times New Roman, Schriftgröße 12“. Der „Normaltag“ bringt dann also vier bis fünf neue Seiten. Nähert sich Ihr Werk dem Ende und laufen darin alle Erzählfäden planmäßig zusammen, können es während der finalen Schreibtage durchaus ein paar Seiten mehr werden.
Sollte es bei Ihnen ganz anders laufen: Hauptsache, Sie schreiben Ihr Ding. Und ziehen es durch.
Diese Regel stammt aus dem Tatort-Schreibtisch-Buch:
Jan Schröters "Goldene Schreibregeln" - 22 Tipps für Autoren und alle, die es werden wollen

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Autorenportrait von Jan Schröter
© Autorenfoto: Hocky Neubert
Sogar professionelle Schreiber sind vor diesem Albtraum nicht sicher. Er holt sie oft genug in der Realität ein, und dann rettet sie kein Wecker. Man sollte meinen, ein Schreibprofi weiß, was er zu schreiben hat. Falls nicht, könnte er ja den Auftrag ablehnen oder, falls er ihn bereits angenommen hat, kurzerhand absagen.
Das passiert allerdings fast nie, aus gutem Grund. Freischaffende Künstler sind finanziell eher selten auf Rosen gebettet. Selbst wenn, wissen sie nie, wie lange diese Glückssträhne währt. Ich kenne großartige Autoren, die seit Jahrzehnten sehr gut im Geschäft sind und trotzdem in tiefer Angst davor leben, übermorgen wieder dort zu sein, wo sie mal zu Beginn ihrer Karriere waren: chronisch pleite und ohne Aufträge.
Egal, ob etablierter Profi oder ambitioniertes Nachwuchstalent, kaum ein Autor lehnt einen angemessen honorierten Auftrag ab. Die Frage, ob einem das Projekt wirklich gefällt und ob man ihm gewachsen ist, stellt man sich lieber nicht oder beantwortet sie nicht ehrlich. Ebenso verdrängt man allzu gern bei der Vertragsunterschrift, dass es vielleicht noch weitere Projekte gibt, deren Abgabetermine sich überschneiden. Monatelang wollte keiner was von einem, plötzlich kommen mehrere Angebote aus verschiedenen Ecken. So ist es meistens. Und man sagt zu, weil man ahnt, dass danach wieder monatelang nichts läuft.
Schon ist der Albtraum programmiert.
Bald, sehr bald nach gegebener Zusage wird einem bewusst, dass man einem knüppelharten Arbeitsmarathon entgegensieht, an dessen Ende man möglicherweise trotz aller Mühen nicht durchs Ziel kommt. Vielleicht, hoffentlich, hat man ein paar Vorstellungen davon, wie man die erforderlichen Texte gestalten möchte. Aber man weiß, es wird heftig. Die Anstrengung wird einen fertigmachen und es wird weh tun.
Ich kenne mich selbst und außerdem eine Menge geschätzter Autorenkolleginnen und -kollegen. Deshalb kann ich Ihnen verraten, was die meisten Schreibprofis in dieser Situation tun:
Alles Mögliche. Vielleicht schreiben sie sogar. Allerdings eher nicht am drängendsten Problemprojekt.
Autoren sind von Berufs wegen fantasiebegabt. Und selten kreativer als in einer Situation, in der es gilt, eine Beschäftigung zu finden, die so dringend und unaufschiebbar ist, dass man unmöglich stattdessen am Problemprojekt schreiben könnte. „Prokrastination“ lautet das Fachwort für diesen Zustand. Für die Nicht-Lateiner unter uns: „procastrinare“ bedeutet vertagen, zusammengesetzt aus pro = für und cras = morgen. Gemeint ist das extreme Aufschieben eigentlicher Notwendigkeiten, und das gilt in verschärfter Ausprägung durchaus als pathologisches Krankheitsbild.
Bis zum zwangsweisen Klappsmühlenaufenthalt lassen es Autoren in der Regel nicht kommen, aber manchmal fehlt nicht viel. Das Gute dabei ist: Wer als Autor auf langjährige Selbsterfahrung mit der „Aufschieberitis“ zurückblickt, kennt seine persönlichen Macken und setzt sie im Idealfall sogar strategisch klug ein. Beispielsweise beginnt eine Drehbuchautorin aus meinem Freundeskreis unweigerlich ihren kompletten Haushalt inklusive Gemeinschaftstreppenhaus zu putzen, wenn sie eigentlich am Problemprojekt sitzen müsste. Sie putzt, fegt und schrubbt solange, bis selbst Meister Propper keine Schliere mehr fände – erst dann setzt sie sich an den Schreibtisch. Manchmal kommen ihre in Süddeutschland lebenden Eltern zu Besuch und wohnen eine Zeitlang bei ihr. „Ich lade sie immer für den Tag nach meinem allerhärtesten Abgabetermin ein“, verriet mir die Kollegin, „dann ist meine Bude noch auf Hochglanz, weil ich sowieso keine Zeit hatte, irgendwelchen Dreck zu machen.“
Man darf also seinen Macken getrost Raum geben. Auch denen, die einen zunächst vom Schreiben abhalten. Klar ist aber: Irgendwann muss es losgehen. So rechtzeitig, dass man sich die Chance wahrt, das Werk fristgerecht zu vollenden. Wer tatenlos auf einen Musenkuss oder den vorbeigaloppierenden Pegasus hofft, wird scheitern. Bewusstseinserweiternde Drogen oder Alkohol sind, zumindest langfristig, ebenso wenig zielführend.
Wer keine Zeile schreibt, schreibt keinen Text. Es ist Schreibdisziplin gefragt.
Mancher empfindet vielleicht Disziplin und Kreativität als Widerspruch. Ich bin anderer Meinung. Will man ein Berufsleben lang, also über mehrere Jahrzehnte, als Autor vom Geschriebenen leben, ist eine gewisse Berechenbarkeit der Einkünfte gefragt. Regelmäßige Produktion und Veröffentlichung ist dafür die Grundvoraussetzung. Selbst jemand, der nur ein einziges Buch verfassen möchte, ganz ohne kommerzielle Ambitionen, kommt nicht ohne Schreibdisziplin zum ersehnten Ziel.
„Darüber müsste ich mal ein Buch schreiben.“ Ja, wenn es so einfach wäre …Vielleicht könnte man vorher noch die Fenster putzen, und die Abstellkammer muss auch dringend aufgeräumt werden ...
STOP! Jetzt fangen Sie endlich an! Achtung, es geht los:
- Verschaffen Sie sich (besonders für den Anfang) ausreichend große Zeitfenster. Die freie halbe Stunde zwischen Großeinkauf und dem Abholen Ihrer Tochter vom Reitunterricht ist kein geeigneter Zeitpunkt, um ein epochales Literaturmeisterwerk zu beginnen. Entweder vergessen Sie Ihre Tochter (gibt Ärger), oder Sie bringen Ihre Worte nicht hinreichend auf den Punkt (gibt Frust). Zwei ungestörte, zusammenhängend dem Schreibwerk gewidmete Stunden sollten es anfangs mindestens sein. Ganze Vor- oder Nachmittage wären besser. Ein kompletter Arbeitstag im Dienste der ersten Seite(n) wäre optimal.
- Wählen Sie für sich den Arbeitsplatz, an dem Sie sich am besten aufs Schreiben fokussieren können. Ich kenne einige mobile Genies, die nur ihr Notebook benötigen, um zu schreiben – egal, ob sie damit im Café, im Zug, auf grüner Wiese oder sonstwo sitzen. Die meisten der mir persönlich bekannten Autoren halten es jedoch wie ich: Sie entscheiden sich für ein Zimmer, in dem sie allein sind und die Tür hinter sich schließen können. Nicht jeder genießt den Luxus eines eigenen Arbeitszimmers. Während meiner Autoren-Anfangsjahre war mir das auch nicht vergönnt. Dass mir während der Arbeit mein damals kleiner Sohn auf seinem Bobby-Car gegen das Schienbein fuhr oder er die Gleise seiner Spielzeugeisenbahn leider genau unter meinem Schreibtischstuhl hindurch verlegen musste, passierte ziemlich oft. Dass ich dann, statt zu schreiben, lieber mit ihm und seiner Eisenbahn spielte, leider auch. Trotzdem sind auch unter diesen Bedingungen Bücher entstanden. Doch als ich später endlich über ein eigenes, separates Schreibzimmer verfügte, war der Unterschied für mich deutlich spürbar.
- Überlegen Sie sich, ob Sie beim Schreiben die Sicht aus dem Fenster beflügelt oder eher ablenkt. Ob Sie Sonne brauchen oder lieber Kunstlicht. Um sich herum aufgeräumten Platz auf dem Schreibtisch bevorzugen oder kreatives Chaos. Finden Sie heraus, was Ihre Konzentrationsfähigkeit unterstützt. Mein Schreibtisch steht grundsätzlich an einer Wand, ich will nichts sehen als den Computer-Monitor. Sonne im Gesicht nervt mich beim Schreiben, da schließe ich gnadenlos die Jalousien. Ich würde lieber in einem Kellerverlies dichten als draußen im Garten. Ich bin ein regelrechter Schreibgrottenolm und kann nötigenfalls stundenlang auf ein und demselben Stuhl verharren. Der Dichter Gerhart Hauptmann (1862-1946) dagegen besaß in seinem Haus auf der schönen Ostseeinsel Hiddensee einen Arbeitsraum im lichtdurchfluteten, ellenlangen Kreuzgang – einzig möbliert mit einem Stehpult. Hauptmann pflegte stundenlang im Gang auf und ab zu patrouillieren, um zwischendurch am Pult sein Schreibwerk voranzutreiben. Oder es stand eine Privatsekretärin am Pult, der Hauptmann im Vorbeieilen ein paar geniale Formulierungen in die Feder diktierte. Über eine Privatsekretärin verfügen nun leider die Wenigsten von uns, was sicher auch daran liegt, dass wir – im Gegensatz zu Gerhart Hauptmann – nie den Literaturnobelpreis gewonnen haben.
Noch nicht.
- Selbst, wenn Sie einen soliden Beruf ausüben, lediglich „nebenbei“ ein Buch (Drehbuch, Theaterstück etc.) schreiben, noch keinen Abnehmer dafür haben und demzufolge auch nicht unter dem Druck eines drohenden Abgabetermins stehen: Wenn Sie es mit Ihrem Projekt ernst meinen, räumen Sie sich bitte auch nach erfolgtem Beginn weiterhin feste Zeiten für die Arbeit daran ein. Der Yogakurs, das Handballtraining, die Chorproben oder andere Hobbies finden schließlich auch zu festen Zeiten statt. Hegen Sie Ambitionen als Profi-Autor, sind die festen Arbeitszeiten ohnehin Pflicht. Sonst wüsste man ja auch gar nicht, wann wieder Prokrastination angesagt ist …
Es gibt beim Schreiben Tage, an dem einem schier gar nichts einfällt und keine Zeile gelingt. Es gibt die Tage, an denen es einfach läuft. Es gibt, zumindest im professionellen Bereich, extreme Turbulenzen wie ein enger Abgabetermin oder kurzfristige Änderungswünsche bezüglich des gerade vollendeten Drehbuchs, was dazu führen kann, dass sich Autorinnen oder Autoren neben Tagen auch noch die Nächte am Schreibtisch um die Ohren schlagen. Das sind, wie gesagt, außergewöhnliche Situationen. Für den gewöhnlichen Schriftstellertag kann ich Ihnen jedoch gewisse Parameter nennen, die ich mit den einschlägigen Erfahrungen einiger Autorenkollegen abgeglichen habe:
An normalen Tagen schreibt man ungefähr vier bis fünf Stunden konzentriert. Altgediente Recken bevorzugen dafür meist den Vormittag (ich auch), bei jüngere Menschen zünden die Ideen oft erst während einer Spätschicht. Spätestens nach fünf Stunden intensiven Schreibens macht die Kreativität schlapp. Manchmal kommt sie wieder in Schwung, wenn man eine kleine Pause macht, sich bewegt, etwas isst und trinkt. Meistens jedoch nicht. Dann liest man vielleicht das bisher Geschriebene noch einmal durch, macht sich Notizen, beantwortet die ein oder andere E-Mail oder googelt irgendeinen Müll – schon ist der Arbeitstag vorbei.
Sie müssen kein schlechtes Gewissen haben, weil Sie es auf diese Weise nicht auf acht konzentrierte Schreibstunden bringen. An fast allen anderen Arbeitsplätzen verbringen die Leute locker den halben Tag mit Themen aus der Gerüchteküche der Firma, Rauchpausen und dem Versenden von Witz-Cartoons. Aber machen Sie bitte nicht den Fehler, Ihren Arbeitstag zuerst mit den Mails und dem Google-Müll zu beginnen! Dann können Sie ihn nämlich meistens gleich vergessen.
Die ersten Tage an einem neuen Schreibprojekt verlaufen oft schleppend. Man schafft pro „Normaltag“ ein bis zwei Seiten, manchmal nur eine halbe. Doch selbst wenn es nur ein Absatz oder auch mal Nullkommanichts sein sollte – dran bleiben! Nachdenken. Weitermachen. Wenn sich allmählich die Sicherheit für die Geschichte einstellt, pegelt sich das Arbeitstempo bei verblüffend vielen Autoren auf die Geschwindigkeit von 1 S/h ein. S/h ist meine persönliche Schreib-Maßeinheit und bedeutet „Seite pro Stunde, 32 Zeilen á 70 Anschläge in der Schrift Times New Roman, Schriftgröße 12“. Der „Normaltag“ bringt dann also vier bis fünf neue Seiten. Nähert sich Ihr Werk dem Ende und laufen darin alle Erzählfäden planmäßig zusammen, können es während der finalen Schreibtage durchaus ein paar Seiten mehr werden.
Sollte es bei Ihnen ganz anders laufen: Hauptsache, Sie schreiben Ihr Ding. Und ziehen es durch.
Diese Regel stammt aus dem Tatort-Schreibtisch-Buch:
Jan Schröters "Goldene Schreibregeln" - 22 Tipps für Autoren und alle, die es werden wollen

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Autorenportrait von Jan Schröter
© Autorenfoto: Hocky Neubert
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