Tatort-Schreibtisch-Kolumne
Fragen Sie sich manchmal, wo Ihre Bücher gelesen werden? Auf dem Kuschelsofa oder im Liegestuhl im Garten? Morgens im Bett oder nachts in der Küche? Auf dem Weg zur Arbeit oder zwischendurch auf dem Klo? Man erfährt es selten, welchen Weg die eigenen Bücher gehen...
Sprich nie deine Leser an!
von Markus StromiedelFragen Sie sich manchmal, wo Ihre Bücher gelesen werden? Auf dem Kuschelsofa oder im Liegestuhl im Garten? Morgens im Bett oder nachts in der Küche? Auf dem Weg zur Arbeit oder zwischendurch auf dem Klo? Man erfährt es selten, welchen Weg die eigenen Bücher gehen...
Es ist schon ein paar Jahre her, da entdeckte ich einen meiner Thriller im Buchregal eines bedeutenden Mannes (hmm, keine Ahnung, wer das war, hab ich vergessen, war aber ganz sicher ein äußerst bedeutender). Die Regalwand hinter ihm war die Tapete für ein Fernsehinterview, und mein Buch mit seinem rot-schwarzen Cover stach deutlich sichtbar aus dem Cover-Ensemble hervor. Nett.
Ein anderes mal hat mir ein befreundeter Autor erzählt, dass er einen meiner Romane im Zug gelesen und dann vergessen hat. (Nein, nein, das Buch habe ihm wirklich gut gefallen, es sei keine Absicht gewesen, hat er behauptet. Ich weiß ja nicht: Freud hätte vermutlich seine Freude gehabt.) Leider endete hier sein Bericht: Ob das Buch im Müllsack des Reinigungspersonals oder im Koffer eines Reisenden gelandet ist, wusste der Kollege nicht.
Oder dies: Von einer früheren Klassenkameradin bekam ich einmal eine Mail, sie habe eine junge Frau eines meiner Bücher in der Straßenbahn lesend gesehen und sie wegen des Autorennames auf dem Cover angesprochen, um daraufhin wegen der Störung grob abgebügelt zu werden: Das Buch sei gerade zu spannend, um über den Autor und irgendwelche rührseligen Jugendstorys zu reden.
Welch großartiger Moment! Da wäre ich gerne dabei gewesen. Das ist ja ohnehin der Traum eines jeden Schreibenden: auf einen Leser zu treffen, der aufgeregt und mit roten Ohren in eines der Bücher mit dem bekannten Namen auf dem Cover vertieft ist und in Ehrfurcht erstarrt, wenn er oder sie den Urheber der erhebenden Zeilen begegnet.
Wahrscheinlicher ist eine andere Situation: Man trifft auf einen Leser, der einem dezidiert darlegt, warum die Geschichte an dieser oder jener Stelle unlogisch und das Buch ohnehin total bescheuert ist, und dass jeder halbwegs dem Schreiben mächtige so eine Grütze zehnmal besser hinbekommen könne. Amazon lässt grüßen, die neue Ehrlichkeit ist doch eine prima Sache, sehr aufbauend.
Mir hat eine Autorenfreundin eindrücklich nahgelegt, als Autor nie – wirklich niemals! – einen Leser anzusprechen, der in das Buch aus eigener Feder vertieft ist. Vor allem nicht im Zug, wenn der nächste Bahnhof noch 60 Minuten entfernt ist.
Mich hat ein Foto aus Tansania erreicht, es ist von Oliver Zantow, der es während seines beruflichen Aufenthaltes in Afrika aufgenommen hat. Ein herrliches Bild, es steht oben über diesem Text. Wahrscheinlich ist der Roman auf dem Kopf des Mädchens die vom Fotografen aus Deutschland mitgebrachte Lektüre, um am Abend zu entspannen. Aber die Vorstellung, dass ein Mädchen aus Tansania sich während eines deutsch-tansanaischen Bildungsprojekts durch das Tatort-Schreibtisch-Buch "Wie mich mein Deutschlehrer fast umbrachte…" von Jan Schröter kämpft, vollkommen verblüfft von den überaus seltsamen Dingen, die offenbar hier in Deutschland passieren, ist einfach großartig.
Markus Stromiedel ist Autor und Drehbuchautor und einer der Autorenpaten von Tatort-Schreibtisch
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Ein anderes mal hat mir ein befreundeter Autor erzählt, dass er einen meiner Romane im Zug gelesen und dann vergessen hat. (Nein, nein, das Buch habe ihm wirklich gut gefallen, es sei keine Absicht gewesen, hat er behauptet. Ich weiß ja nicht: Freud hätte vermutlich seine Freude gehabt.) Leider endete hier sein Bericht: Ob das Buch im Müllsack des Reinigungspersonals oder im Koffer eines Reisenden gelandet ist, wusste der Kollege nicht.
Oder dies: Von einer früheren Klassenkameradin bekam ich einmal eine Mail, sie habe eine junge Frau eines meiner Bücher in der Straßenbahn lesend gesehen und sie wegen des Autorennames auf dem Cover angesprochen, um daraufhin wegen der Störung grob abgebügelt zu werden: Das Buch sei gerade zu spannend, um über den Autor und irgendwelche rührseligen Jugendstorys zu reden.
Welch großartiger Moment! Da wäre ich gerne dabei gewesen. Das ist ja ohnehin der Traum eines jeden Schreibenden: auf einen Leser zu treffen, der aufgeregt und mit roten Ohren in eines der Bücher mit dem bekannten Namen auf dem Cover vertieft ist und in Ehrfurcht erstarrt, wenn er oder sie den Urheber der erhebenden Zeilen begegnet.
Wahrscheinlicher ist eine andere Situation: Man trifft auf einen Leser, der einem dezidiert darlegt, warum die Geschichte an dieser oder jener Stelle unlogisch und das Buch ohnehin total bescheuert ist, und dass jeder halbwegs dem Schreiben mächtige so eine Grütze zehnmal besser hinbekommen könne. Amazon lässt grüßen, die neue Ehrlichkeit ist doch eine prima Sache, sehr aufbauend.
Mir hat eine Autorenfreundin eindrücklich nahgelegt, als Autor nie – wirklich niemals! – einen Leser anzusprechen, der in das Buch aus eigener Feder vertieft ist. Vor allem nicht im Zug, wenn der nächste Bahnhof noch 60 Minuten entfernt ist.
Mich hat ein Foto aus Tansania erreicht, es ist von Oliver Zantow, der es während seines beruflichen Aufenthaltes in Afrika aufgenommen hat. Ein herrliches Bild, es steht oben über diesem Text. Wahrscheinlich ist der Roman auf dem Kopf des Mädchens die vom Fotografen aus Deutschland mitgebrachte Lektüre, um am Abend zu entspannen. Aber die Vorstellung, dass ein Mädchen aus Tansania sich während eines deutsch-tansanaischen Bildungsprojekts durch das Tatort-Schreibtisch-Buch "Wie mich mein Deutschlehrer fast umbrachte…" von Jan Schröter kämpft, vollkommen verblüfft von den überaus seltsamen Dingen, die offenbar hier in Deutschland passieren, ist einfach großartig.
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