Wir schreiben das Jahr 1994. Die Menschheit kommuniziert in Form von
Briefen, Faxen und Telefongesprächen. Ein Kölner Filmproduzent berichtet
mir von einem jungen, hochbegabten Autor, der ein
Science-Fiction-Drehbuch geschrieben habe, für das er von der
Filmstiftung NRW ausgezeichnet worden sei. Ich lese es. Ich bin
begeistert...
In der mit MATRIX vergleichbaren Geschichte werde ich in eine Zukunft entführt, die ich zwar nicht erleben möchte, die mich aber gleichwohl fasziniert. Diesen Autor will ich kennenlernen.
Wenige Woche später sitzt mir Markus Stromiedel ganz analog in meinem Dahlemer Verlagszimmer gegenüber, und ich weiß: Wir werden gemeinsam in die digitale Zukunft gehen.
Wir waren junge Männer damals, Markus und ich. Aber wir hatten eine ähnliche Sicht auf die Dinge und erkannten schnell unsere Pappenheimer. Das ist in der laut tönenden Medienbranche nicht unwichtig.
Markus pflegte den leisen, genauen Ton. Er strahlte Verlässlichkeit aus, und er forderte sie auch ein. Charmant fragte er nach dem, was er für angemessen hielt. Und forderte es ein. Äußerlich gelassen, kochte es aber in seinem Inneren. Er schickte mir Szenarien: Verschüttete Menschen kämpften in einem alten, giftmüllgefüllten U-Bahnschacht ums Überleben; ein wahnsinniger Erpresser steuert einen Öltanker auf die ostfriesische Küste zu; ein Saboteur wütet auf einer Ölbohrinsel in der Nordsee …
Lächelt sagte er damals: „Ich kann nur über Helden schreiben.“ Und er tat es. Er schrieb über Helden des Alltags (denn sie mussten TV-kompatibel sein) und über Helden in einem zukünftigen Leben, als er sich – nun auch zum Romanautor geworden – wieder dem Science-Fiction-Genre zuwandte.
Die Dialoge und die Szene waren und sind sein Metier, und auch seine Prosa hat immer wieder den filmischen Zugriff. Markus weiß, wie er unsere Spannung steigen lässt.
Aber als Autor hat sich nie allein hinter dem Schreibtisch wohlgefühlt. Immer wollte er auch wissen, wie es „gemacht“ wird. Als ich ihn kurze Zeit, nachdem wir uns kennengelernt hatten, zur Bavaria bringen konnte und ihm den Rat gab, nicht nur im Büro Zeit zu verbringen, sondern auch am Set und in der Kantine, baute er sich Kenntnisse und ein Netzwerk auf, von dem er noch heute profitiert.
Toll ist, dass er seine Erfahrungen nicht für sich behalten kann. Dass er immer wieder junge Menschen zur Mitarbeit motiviert. Einige Drehbuchautoren können sich dafür bei ihm bedanken.
Angefangen hat er als Journalist. Er kann recherchieren. Ich erinnere mich, wie er damals in der ZEIT über eine Gletschertour auf das Wiesbachhorn schrieb: „Dann hänge ich in der Luft, die Füße gegen den Fels gestemmt, stoße mich Schritt für Schritt an der senkrechten Wand ab, während ruckend das Seil nachgibt. ‚Wenn er jetzt loslässt…‘, schießt es mir eine Sekunde lang durch den Kopf. Noch nie habe ich mich zugleich so ausgeliefert und so sicher gefühlt.“ Klingt das nicht schon nach Drehbuch?
Und ist es nicht auch ein Bild für unsere Medienwelt, in der man sich – zugegebenermaßen – eher ausgeliefert als sicher fühlt?
Seit seinem ersten Drehbuch hat Markus einen steilen Medienberg erfolgreich erklommen. Ich bin gespannt, welches Gebirge er sich als nächstes vornimmt und bleibe sichernd als sein Verleger gern an seiner Seite.
Bernd Schmidt ist geschäftsführender Verleger des Bühnenverlages "Kiepenheuer Bühnenvertrieb" in Berlin
Markus Stromiedel ist Tatort-Schreibtisch-Autor und hat das Tatort-Schreibtisch-Sachbuch "Autoren, traut euch!" geschrieben. Der Text ist dem Sammelband "Hört mir jemand zu?" erschienen. Außerdem ist Markus Stromiedel Autorenpate im Tatort-Schreibtisch-Autorenpaten-Programm. Mehr Informationen über das Buch "Hört mir jemand zu" Buch kostenlos lesen
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Autorenfoto: Jörg Schwalfenberg